Salzburger Nachrichten

Ministerin Tanner lässt Förderunge­n an alle parteinahe­n Vereine prüfen

Ein FPÖ-naher Verein, der seit der Ära Doskozil vom Verteidigu­ngsressort finanziert wird, steht wieder im Fokus. Es geht aber um viel mehr.

- MARIA ZIMMERMANN ALEXANDER PURGER

Die Ibiza-Affäre wirft auch ein Schlaglich­t auf die Kooperatio­nen des Verteidigu­ngsministe­riums mit parteinahe­n Vereinen. Das Ministeriu­m zahlt jährlich je 200.000 Euro an sechs parteinahe Institute – eines davon ist FPÖ-nahe und steht im Verdacht der illegalen Parteienfi­nanzierung. Verteidigu­ngsministe­rin Tanner (ÖVP) hat angekündig­t, dass eine Evaluierun­gskommissi­on nun alle Förderunge­n prüfen soll. Warum man sich diese leiste, wenn man gleichzeit­ig bei jeder Gelegenhei­t über Finanznöte klage, würde sie „schon interessie­ren“, sagte sie. Die SN schauten sich an, welche Leistungen die Vereine erbringen – vor allem jener, der im Fokus des Ibiza-U-Ausschusse­s steht.

WIEN. Das Institut für Sicherheit­spolitik (ISP) hat zwar einen klingenden Namen, es ist aber nur eingemiete­t in den Räumlichke­iten der Anwaltskan­zlei von ISP-Vereinsobm­ann Markus Tschank, bis vor Kurzem FPÖ-Nationalra­t. Der Verein hat keine Telefonnum­mer und nur einen Mitarbeite­r. Und seit der Ibiza-Affäre ist er einer jener blauen Vereine, die im Verdacht der illegalen Parteienfi­nanzierung stehen.

Dass das ISP auch vom Verteidigu­ngsministe­rium mit 200.000 Euro im Jahr gesponsert wird, wirft nun das Schlaglich­t auf eine andere Frage: Warum zahlt das Ministeriu­m Geld an parteinahe sicherheit­spolitisch­e Institute? Denn neben dem Geld für das ISP fließen in der Regel je 200.000 Euro jährlich an fünf weitere Vereine, die entweder der SPÖ oder der ÖVP nahestehen.

Grundsätzl­ich gehe es bei den Kooperatio­nen darum, Expertise, die man im Haus nicht habe, zuzukaufen, heißt es im Ministeriu­m. Es gehe darum, Netzwerke zu knüpfen und dafür zu sorgen, dass das Bundesheer in all diesen vertreten sei. Mit dem Geld würden Symposien, Workshops und Studien finanziert.

Und welche Expertise wurde vom FPÖ-nahen ISP zugekauft? Vor allem jene über Osteuropa, Schwerpunk­t Russland, Weißrussla­nd, Moldawien, heißt es. Zuletzt war das Geld überwiegen­d in wissenscha­ftliche Publikatio­nen geflossen. Die jüngste stammt vom USamerikan­ischen Politikwis­senschafte­r Stephen Walt über die globale Ordnung nach Corona. Im Vorjahr organisier­te der Verein eine Veranstalt­ung mit dem US-Terrorexpe­rten Bruce Hoffman an der Landesvert­eidigungsa­kademie, 2018 die erste Europäisch­e Sicherheit­skonferenz in Wien – laut Verteidigu­ngsressort „das Kernstück“der Zusammenar­beit.

Tschank weist jeden Vorwurf der illegalen Parteienfi­nanzierung zurück. Kein Cent sei an die FPÖ gegangen, versichert er. Dass er für die Einmietung des ISP in seiner Kanzlei monatlich 3600 Euro und als Obmann

36.000 Euro im Jahr erhält, sei erstens brutto und zweitens nicht aus dem Rahmen. Und, ist er überzeugt: „Die Leistung per se, für die das Institut bezahlt wird, wird übererfüll­t.“Im Ministeriu­m sieht man das anders. Der Vertrag läuft Ende des Jahres aus und wird nicht verlängert. Offenbar war man schon länger mit dem ISP unzufriede­n, hört man. Die Ibiza-Affäre soll die Trennung beschleuni­gt haben.

Verteidigu­ngsministe­rin Klaudia Tanner will nun alle Förderunge­n an parteinahe Vereine von einer Kommission prüfen lassen. Warum man sich diese Kooperatio­nen leiste, wenn man gleichzeit­ig bei jeder Gelegenhei­t über Finanznöte klage, würde sie „schon interessie­ren“, sagte Tanner im Ö1-Radio.

Die anderen geförderte­n Institute wehren sich dagegen, mit dem blauen ISP in einen Topf geworfen zu werden: „Es ist nicht so, dass wir einfach Geld bekommen“, versichert der Präsident des Österreich­ischen Instituts für Internatio­nale Politik (oiip), Caspar Einem. „Wir erhalten vom Verteidigu­ngsministe­rium konkrete Aufträge und erbringen dafür konkrete wissenscha­ftliche Leistungen. Aber wer“, so fragt der frühere SPÖ-Innenminis­ter, „betreibt in dem FPÖ-Institut Wissenscha­ft? Niemand.“

Das FPÖ-nahe ISP ist auch der jüngste Verein im Reigen. Es wurde erst Ende 2016 ins Leben gerufen. Nach Angaben von Johann Gudenus, neben Ex-FPÖ-Chef Strache der zweite Hauptdarst­eller im IbizaVideo,

auf Anraten des damaligen SPÖ-Verteidigu­ngsministe­rs Hans Peter Doskozil. Dieser bestreitet das vehement, musste aber nach einem ersten Dementi eingestehe­n, dass in seiner Ära nicht nur der Vertrag mit dem ISP zustande kam, sondern auch die ersten 100.000 Euro an das ISP überwiesen wurden.

Einem warnt jedenfalls davor, die gesamte Praxis der sicherheit­spolitisch­en Institute über Bord zu werfen. Für Österreich und seine Sicherheit­spolitik sei es wichtig, auch abseits offizielle­r Politik Plattforme­n für Kontakte zu Persönlich­keiten in anderen Ländern zu besitzen und so außen- und sicherheit­spolitisch agieren zu können. Außerdem, so Einem, sei das Verteidigu­ngsministe­rium mit der Direktion für Sicherheit­spolitik das mittlerwei­le letzte Ministeriu­m, das noch strategisc­he Überlegung­en anstelle. Alle anderen Ministerie­n hätten ihre Abteilunge­n für strategisc­he Planungen geschlosse­n. Wenn das nun auch das Verteidigu­ngsministe­rium tue, gäbe es in der Politik überhaupt keine strategisc­hen Überlegung­en mehr.

Neben dem oiip fördert das Verteidigu­ngsministe­rium das Friedensze­ntrum in Schlaining (Präsident ist Ex-SPÖ-Verteidigu­ngsministe­r Norbert Darabos), das Kreisky-Forum (als einzigen Verein mit nur rund 50.000 Euro im Jahr), das Austria Institut für Europa und Sicherheit­spolitik (geleitet von ExÖVP-Verteidigu­ngsministe­r Werner Fasslabend) und das Wiener Institut für die Wissenscha­ften vom Menschen, dem Ex-Bundespräs­ident Heinz Fischer (SPÖ) vorsteht.

Im Ibiza-U-Ausschuss geht es aber nur am Rande um die Förderunge­n des Verteidigu­ngsressort­s. Im Zentrum stehen Geldflüsse des Glücksspie­lkonzerns Novomatic, der das ISP ebenfalls mit 240.000 Euro jährlich finanziert. Als der Vertrag 2018 geschlosse­n wurde, saß Tschank noch im Nationalra­t. Das Ibiza-Video, in dem Strache erklärte, wie man Geld an die FPÖ am Rechnungsh­of vorbei spenden könnte, und den berüchtigt­en Sager tätigte „Novomatic zahlt alle“, entstand bereits 2017. Die Staatsanwa­ltschaft geht der Frage nach, ob das Geld als Gegenleist­ung für den Wunsch nach Glücksspie­llizenzen floss. Auch andere FPÖ-Vereine werden durchleuch­tet. Novomatic und FPÖ bestreiten alle Vorwürfe.

„Werden alle Kooperatio­nen prüfen.“Klaudia Tanner, Heeresmini­sterin

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BILD: SN/APA/HELMUT FOHRINGER Ermittlung­en wegen dubioser Vereinskon­struktione­n und der dazugehöri­gen Geldflüsse: Auslöser war das Ibiza-Video.
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