Wo Avatare tanzen, droht keine Infektionsgefahr
Popstar Jean-Michel Jarre spielte ein Livekonzert in der virtuellen Realität – eine Weltpremiere.
SALZBURG. Das Ritual, mit dem fast alle Popkonzerte enden, durfte auch diesmal nicht fehlen: „Macht ein bisschen Lärm!“, rief der Star vor der Zugabe seinem Publikum zu. Nur die Reaktion fiel diesmal etwas anders aus. Statt Jubel und Applaus flogen Jean-Michel Jarre am Montagabend Daumen-hoch-Symbole und Smileys entgegen. Das Konzert, das der französische Musiker gab, fand im virtuellen Raum statt. Das heißt: Nicht nur der 71jährige Synthesizer-Pionier war als digitaler Avatar in goldenem Outfit hinter seiner Schaltzentrale aus Computern und Keyboards zu sehen. Auch seine Fans manövrierten fantasievolle digitale StellvertreterFiguren in Tiger- oder Frankenstein-Kostümen in die InternetKonzerthalle, um die Show zu erleben. Wer eine Virtual-Reality-Brille und einen Zugang zur Plattform VRChat besaß, konnte sich fast wie bei einem realen Konzertbesuch in 3D bewegen. Für alle anderen wurde der Auftritt über die YouTubeund Facebook-Kanäle des französischen Stars übertragen.
Dessen Titel „Alone Together“war der Coronapandemie geschuldet. Weil man im digitalen Raum auch ohne Mindestabstand und Schutzmaske ein Stehkonzert besuchen kann, hatte Jarre seinen geplanten Auftritt beim Pariser Sommerfestival Fête de la Musique kurzerhand in eine Weltpremiere verwandelt. Erstmals, teilte der Elektronik-Star („Oxygène“, „Equinoxe“) im Vorfeld mit, wolle er ein wirkliches Livekonzert in die virtuelle Realität verpflanzen.
Zwar hat auch schon das Computerspiel „Fortnite“mit mehreren solcher Events weltweit Aufsehen erregt. In der digitalen Spielewelt hatten etwa DJ Marshmello und zuletzt US-Rapper Travis Scott Auftritte absolviert. Mehr als zwölf Millionen „Fortnite“-Spieler hatte Scott im Mai damit zu seinem Konzertpublikum gemacht. Doch bei diesen Spektakeln sei nicht alles live gewesen, argumentiert Jarre: Zum einen habe die Spieleumgebung bereits vorher existiert, zum anderen seien auch die Auftritte teils vorab produziert worden. Der 71-jährige Jarre hingegen spielte sein Konzert in seinem Studio nahe Paris, rund 600.000 Zuschauer hörten und sahen also in Echtzeit die Musik und Bewegungen des Stars sowie die digital erschaffene visuelle Umgebung. Um den Kontakt mit dem Publikum auch in der Coronagegenwart zu halten, „müssen wir Musiker erfinderisch werden“, sagte er vorab der Agentur AFP. Dass virtuelle Shows den realen Konzertbesuch einmal ablösen könnten, glaubt er aber nicht. Sie seien eine Erweiterung der Möglichkeiten, „vielleicht kann man das mit dem Verhältnis von Theater und Kino vergleichen“.