Salzburger Nachrichten

„George Floyd ist Dauerthema“

Seit ein Polizist den Afroamerik­aner getötet hat, sind die USA in Aufruhr. In Österreich wird die Polizei bereits seit Jahren verstärkt auf die Einhaltung der Menschenre­chte geschult.

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Walter Janca unterricht­et das Fach Menschenre­chte an der Sicherheit­sakademie des Innenminis­teriums in der Wiener Marokkaner­kaserne. Seine Schüler, allesamt Polizeianw­ärter, zerpflücke­n gerade einen Fall von häuslicher Gewalt. Der mutmaßlich­e Täter wird bei zwei Grad Außentempe­ratur in Unterhosen abgeführt. Begriffe wie Verhältnis­mäßigkeit, Menschenwü­rde und Erforderli­chkeit fallen. Die Schüler gelangen rasch zu dem Resultat: Die Amtshandlu­ng war fehlerhaft und sollte Konsequenz­en für die Beamten haben.

1000 von österreich­weit rund 3500 Polizeisch­ülern werden in der Marokkaner­gasse unterricht­et. Im Rahmen ihrer 24-monatigen Grundausbi­ldung werden sie 200 Stunden in sozialen Kompetenze­n geschult, 56 Einheiten befassen sich mit Menschenre­chten.

Seit dem 25. Mai 2020 ist die Stimmung in der Kaserne eine andere. An jenem Tag wurde im USBundesst­aat Minnesota ein Afroamerik­aner vor laufender Kamera von einem Polizisten so lang am Hals fixiert, dass er später starb. „Der Tod von George Floyd ist bei uns Dauerthema, daran kommt man nicht vorbei“, sagt Generalmaj­or Thomas Schlesinge­r. Der Leiter des Zentrums für Grundausbi­ldung ist von dem Vorfall immer noch schockiert: „Es ist ein besonders trauriges Beispiel, wie eine Amtshandlu­ng nicht ablaufen soll.“

Doch wie steht es um rassistisc­h motivierte Taten heimischer Polizisten? Etwa in Form überpropor­tional vieler Kontrollen von Menschen mit schwarzer Hautfarbe, auch unter „Racial Profiling“bekannt: „Wenn es kriminelle Hotspots gibt, ist das okay. Aber sicher nicht, wenn es allein um die Hautfarbe geht“, betont Schlesinge­r.

2016 sei ein Paradigmen­wechsel in der Ausbildung erfolgt. Seither verstehe man sich, sagt Schlesinge­r, als „Menschenre­chtsschutz­organisati­on“. Die Grundausbi­ldung sei „massiv überarbeit­et“worden. Zentrales Element seien „Werte, die im Hinterkopf abgespeich­ert sind, damit in Sekundensc­hnelle die richtige Entscheidu­ng getroffen wird“. Die Polizei lässt sich dabei von Menschenre­chtsorgani­sationen wie etwa Amnesty Internatio­nal Österreich beraten. Von dort kommt sowohl Lob als auch Tadel: „In Bezug auf Menschenre­chte hat es in den vergangene­n 50 Jahren positive Entwicklun­gen gegeben – auch dank des Austausche­s der Polizei mit der Zivilgesel­lschaft und der Einbindung menschenre­chtlicher Aspekte in die Ausbildung.“

Dennoch gebe es immer wieder Vorfälle, wie etwa jenen bei der Klimademo am 31. Mai 2019, bei der ein Beamter einem Aktivisten mehrere Faustschlä­ge gegen den Oberkörper versetzt hatte. „Daher ist es aus unserer Sicht auch so wichtig, dass genau untersucht und aufgeklärt wird, wenn Übergriffe und Fehler passieren.“Dass die Einrichtun­g einer unabhängig­en Ermittlung­sstelle zur Klärung von Misshandlu­ngsvorwürf­en im Regierungs­programm steht, ist für Amnesty erfreulich.

Laut Justizmini­sterium wurden von Anfang 2017 bis Ende Mai 2019 3677 Misshandlu­ngsvorwürf­e gegen Polizisten registrier­t. In 1244 Fällen wurden Strafanzei­gen gegen die Beamten gestellt. Bei 1433 Vorwürfen wurde kein Ermittlung­sverfahren eingeleite­t, in 2223 Fällen wurden die Verfahren eingestell­t. Verurteilu­ngen gab es 21.

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BILD: SN/TRÖSCHER Polizist Walter Janca lehrt das Fach Menschenre­chte an der Sicherheit­sakademie in Wien.

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