Lufthansa – was passiert ohne Staatshilfe?
Ein deutscher Milliardär legt sich quer gegen das geplante Rettungspaket von neun Milliarden Euro. Damit ist die Rettung der Lufthansa schwer in Gefahr – und wohl auch das Schicksal ihrer Tochter AUA.
WIEN. Jetzt ist wieder alles offen. Seit der deutsche Milliardär Heinz Hermann Thiele seine Zustimmung zum neun Milliarden Euro schweren Rettungspaket für die deutsche Lufthansa infrage gestellt hat, steht erneut die Zukunft des gesamten Lufthansa-Konzerns auf dem Spiel – und somit auch jene der Österreich-Tochter AUA.
Der 79-jährige Unternehmer, der mit einem Vermögen in zweistelliger Milliardenhöhe zu den reichsten Deutschen zählt, hat schwere Bedenken gegen die Anfang Juni zwischen der deutschen Regierung und der Lufthansa vereinbarte Lösung angemeldet. Ihn stört der staatliche Einfluss, den der Bund durch die Beteiligung von 20 Prozent an der Lufthansa erhalten würde. Er fordert Nachbesserungen bei dem nun auch von der EU-Kommission genehmigten Rettungsplan.
Ein Treffen Thieles mit den deutschen Ministern Olaf Scholz (Finanzen) und Peter Altmaier (Wirtschaft) sowie Lufthansa-Chef Carsten Spohr in Berlin blieb am Montag ohne Ergebnis. „Die Bundesregierung hat das Hilfspaket erläutert“, hieß es danach knapp. Und „weitere über den Zeitpunkt der Hauptversammlung hinausgehende Themen waren nicht Teil des Gesprächs“.
Als mittlerweile größter Aktionär hat es Thiele in der Hand, den Lufthansa-Rettungsdeal in letzter Minute platzen zu lassen. Sein Anteil von zuletzt 15,52 Prozent reicht aus, um bei der außerordentlichen Lufthansa-Hauptversammlung am Donnerstag den einzigen Tagesordnungspunkt zu blockieren – die Annahme des „Stabilisierungspakets der Bundesregierung“. Weil laut Anmeldungen weniger als 50 Prozent der Stimmrechte an der Aktionärsversammlung teilnehmen werden, ist eine Zweidrittelmehrheit für die Annahme des Beschlusses erforderlich. Die könnte Thiele mit seinem Anteil verhindern. Der Investor gilt als meinungsstark und durchsetzungsfreudig. Diese Eigenschaften hat er auch unter Beweis gestellt, als er sich zum Vorstandschef und Alleineigentümer des deutschen Bahntechnikkonzerns Knorr-Bremse hocharbeitete und ihn zum Weltmarktführer machte.
Was bedeutet es, wenn das Paket für die Lufthansa nicht wie vereinbart beschlossen werden kann? Dann steht als Plan B wieder eine Insolvenz im Raum. Schon vor Wochen hatte Lufthansa-Chef Carsten Spohr laut über die Möglichkeit eines „Schutzschirmverfahrens“nachgedacht. Es handelt sich um eine Besonderheit des deutschen Insolvenzrechts, das auf eine Sanierung in Eigenverwaltung abzielt und nicht primär die Zerschlagung des Unternehmens im Auge hat.
Eine Insolvenz nach diesem Muster würde keineswegs das Aus für die Lufthansa bedeuten, wahrscheinlich aber einen Kapitalschnitt nach sich ziehen. Das heißt, die Eigentümer der Fluglinie würden Geld verlieren – allen voran auch Großaktionär Thiele, der bereits mehrere Hundert Millionen Euro in die Lufthansa gesteckt hat.
Gegen eine Zerschlagung der Lufthansa im Insolvenzfall spreche auch die Tatsache, dass sie extrem substanzstark sei, meint Luftfahrtberater Heinrich Großbongardt. „Der Lufthansa gehört bis auf wenige Ausnahmen die gesamte Flotte, die sich als Asset zur Kapitalbeschaffung nutzen ließe.“Zudem erziele die Tochter Lufthansa Technik als Weltmarktführer Milliardenumsätze und verdiene gutes Geld.
Ein Scheitern der Lufthansa-Rettung ließe auch das ausverhandelte Hilfspaket für die Österreich-Tochter AUA wackeln. In dem Fall müsse man „die Situation in Österreich neu bewerten“, hieß es aus Wiener Regierungskreisen. Schließlich sei das Lufthansa-Paket die Basis der AUA-Verhandlungen gewesen.
In der Branche gibt es freilich auch die Ansicht, der Deal sei als österreichisches Abkommen zwischen der AUA und der Regierung bereits „in trockenen Tüchern“. Und dank vergleichsweise günstiger Konditionen sei die AUA für die Lufthansa aktuell keine Belastung, sondern „als Drehkreuz und Bollwerk gegen Konkurrenten aus dem Billigflugsektor viel zu wichtig geworden“, um sie fallen zu lassen, meint Experte Großbongardt. Er hält es für wahrscheinlicher, dass auch ein Investor Thiele an der AUA festhält – und allenfalls selbst die 150 Millionen Euro lockermacht, die im AUA-Paket als Kapitalspritze der Lufthansa vorgesehen wären. Thiele hat sich kürzlich durch den Verkauf eines Aktienpakets 700 Millionen Euro vom Markt geholt.
Letztlich geht es immer wieder um die Intentionen von Milliardär Thiele, die allerdings schwer zu durchschauen sind. Beobachter bezweifeln, dass er als Großaktionär ein Interesse an einer Zerschlagung der Lufthansa haben kann. Ein Ausweg aus dem Dilemma könnte ein Zusatzabkommen sein, das den staatlichen Einfluss auf die Lufthansa beschränkt. Oder der Investor könnte sich bei der Hauptversammlung der Stimme enthalten.
„Kämpfen um Lösung für alle Beteiligten.“Carsten Spohr, Lufthansa-Chef