Aus der Krise für die Anlage lernen
Für Anleger gab es in den vergangenen Jahren turbulente Zeiten. Viele lernen aus den Krisen, was die Geldanlage betrifft, doch der grundsätzliche Anlagemix bleibt meist sehr ähnlich.
Vermögende österreichische Anleger haben in den vergangenen Jahren turbulente Zeiten erlebt. Aus den Krisenerfahrungen haben sie Lehren gezogen, im Portfolio hat sich – falls überhaupt – nur kurzfristig etwas geändert. Das zeigt der neue LGT Private Banking Report zum Anlageverhalten in Österreich, Deutschland und der Schweiz.
80 Prozent der Befragten haben demnach die Finanzkrise 2008 als Anleger miterlebt und rund die Hälfte von ihnen hat sie als einschneidendes Ereignis empfunden. Im Langzeitvergleich zeigt der LGT Private Banking Report, dass Krisen zwar durchaus Ängste wecken, der Anlagemix aber meist nur kurzfristig durch die Erhöhung der Cash- oder Goldquoten beeinflusst wird. Effektive Verhaltensänderungen ergeben sich höchstens bei einer Minderheit. Die „Suche“nach Rendite bleibt für viele der stärkste Treiber ihres Anlageverhaltens.
Die Finanzkrise 2008 hat zu einer kritischeren Haltung gegenüber Banken und Kundenberatern geführt. Das sagen 65 Prozent der Befragten, welche die Krise als Anleger erlebt haben. Seither sind das Vertrauen und die Zufriedenheit mit den Banken zurückgekehrt. In der Coronakrise wurden sie erneut auf die Probe gestellt und auch dieses Mal scheinen Banken und Berater den Krisentest nur teilweise bestanden zu haben. Bei 60 Prozent jener Private-Banking-Kunden, die ihre Anlageentscheidungen selbstständig treffen, hat sich die Zufriedenheit mit der Bank und dem Berater von Jänner bis April 2020 signifikant verschlechtert. Bemerkenswert ist auch, dass sich der Anteil dieser „Soloisten“seit 2010 von 37 auf 41 Prozent erhöht hat. „Die aus der Krisenerfahrung resultierende kritischere Haltung hat dazu geführt, dass sich dieser Teil der Anleger komplett von den Banken abgewendet hat und Anlageentscheidungen heute autonom trifft. Dieser Trend scheint irreversibel“, sagt Studienleiter Teodoro D. Cocca von der Johannes-Kepler-Universität in Linz.
63 Prozent der Befragten, die die Finanzkrise als Anleger miterlebt haben, sagen, dass sie seither Anlagen meiden würden, die sie nicht verstehen. Zudem würden sie ihre Anlageentscheidungen vermehrt auf Grundlage von Fakten treffen (60 Prozent), seien vorsichtiger geworden (60 Prozent) und hätten ihr Portfolio konservativer ausgerichtet, um weniger Risiken einzugehen (52 Prozent). Es scheint also, dass vermögende Private-Banking-Kunden Anlageentscheidungen heute tendenziell eher rationaler treffen als noch vor zehn Jahren. Auch die Coronakrise stützt diese These.
Krisen und andere Negativereignisse führen auch immer zu einer kurzzeitigen Flucht in Cash oder Gold. So hat der Cash-Anteil in den Portfolios in den vergangenen zehn Jahren zwischen 28 Prozent und 34 Prozent je nach Börsenlage fluktuiert und eine gegenläufige Entwicklung zum Aktienanteil gezeigt. Danach wurde die Aktienquote wieder langsam ausgeweitet und auch die Abkehr von risikoreichen Anlagen ist jeweils nur von kurzer Dauer. 41 Prozent der Österreicher sahen Anfang 2020 neben Aktien keine andere
Anlageklasse, die im aktuellen Tiefzinsumfeld interessante Renditen versprechen würde. „Obwohl sie Aktien für überbewertet halten, reiten sie auf der Welle mit. Das hat auch damit zu tun, dass die Anleger echte Alternativen zu Aktien – wie Private Equity – zu wenig verstehen und ihnen skeptisch gegenüberstehen“, sagt Cocca. „Den Banken ist es nicht gelungen, den Anlegern zu vermitteln, wie alternative Anlagen sinnvoll zur Portfolio-Diversifikation genutzt werden können.“
2020 haben deutsche Befragte durchschnittlich zwölf Prozent und die Schweizer und Österreicher je vier Prozent ihres Vermögens in alternative Anlagen investiert, obwohl im spezifischen Fall von Private Equity 40 Prozent angeben, dass sich diese Anlageklasse unabhängig von Aktienmärkten und anderen Anlagekategorien entwickle – und somit eine Portfolio-Beimischung sinnvoll sein könnte. Allerdings findet auch ein Drittel der Befragten, dass Private-Equity-Anlagen schwer zu verstehen seien.
Auch wenn einzelne Anleger aufgrund von Krisenerfahrungen vermehrt auf die eigenen Fähigkeiten setzen, bleibt für die große Mehrheit die persönliche Beratung sehr wichtig. 59 Prozent der Anleger betonen weiterhin, dass ihnen die Auftragsübermittlung im persönlichen Kontakt mit dem eigenen Kundenberater wichtig ist, viele wünschen sich ein Sowohl-als-auch. Der Digitalisierungstrend ist vor allem in den vergangenen zwei Jahren abgeflacht. Onlineangebote, v. a. für die Auftragserteilung und das Monitoring der Portfolios, haben zwar mittlerweile in allen Altersklassen eine konstant hohe, teils aber wieder leicht rückläufige Bedeutung.