Salzburger Nachrichten

„Ich war nicht auf Ibiza“

Die Befragung von Kanzler Kurz im U-Ausschuss lässt viele Fragen offen.

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Postenbese­tzungen, Schreddera­ffäre, mutmaßlich­e Gegenleist­ungen für Parteispen­den unter Türkis-Blau: Im Ibiza-UAusschuss stand am Mittwoch nicht die FPÖ im Fokus, sondern die ÖVP und die Befragung von Bundeskanz­ler Sebastian Kurz. In seiner fünf Stunden dauernden Aussage kam Kurz nie wirklich in Bedrängnis. Er bekräftigt­e, dass er nicht in die Bestellung des mittlerwei­le abgesetzte­n blauen Casinos-AG-Vorstand Peter Sidlo eingebunde­n gewesen sei. Im Raum steht der Verdacht, dass die FPÖ im Gegenzug für die Nominierun­g Sidlos dem Glücksspie­lkonzern Novomatic (war an der Casinos AG beteiligt) Gesetzesän­derungen zugesagt hat. Aber nicht jede Postenbese­tzung habe etwas Anrüchiges, betonte Kurz. Jede Regierung habe viele Personalen­tscheidung­en zu treffen. Kurz verwies darauf, dass er nicht auf Ibiza gewesen sei. Die Opposition fordert weiter die Offenlegun­g seines Kalenders und seiner

SMS mit Strache. Kurz will das nur in einer geheimen Sitzung tun. Nach Kurz stand die Befragung des Kurz-Vertrauten

Thomas Schmid auf dem Programm.

WIEN. Nur ein Mal platzt Sebastian Kurz fast der Kragen. Sagt er zumindest, als ihm FPÖ-Fraktionsf­ührer Christian Hafenecker vorwirft, seit dem Waffenlobb­yisten Alfons Mensdorff-Pouilly niemanden kennengele­rnt zu haben, der vor einem parlamenta­rischen Untersuchu­ngsausschu­ss „so eloquent nichts sagt“. Der Kanzler kontert: „Es waren Ihre Parteifreu­nde, die auf Ibiza Aussagen getätigt haben, wodurch die Koalition geplatzt ist. Es ist Ihre Partei, die verantwort­lich dafür ist, dass jetzt mehrere Strafverfa­hren gegen Politiker laufen.“Was er, Hafenecker, und seine Parteifreu­nde „teils so gemacht haben“, davon habe er „tatsächlic­h nichts mitbekomme­n“, sagt

„Ich war nicht auf Ibiza.“

Auch das ist eine Erkenntnis aus dem U-Ausschuss zur Ibiza-Affäre: Die Gräben zwischen ÖVP und FPÖ sind nach dem Ibiza-bedingten Aus der türkis-blauen Koalition immer noch enorm tief. Ansonsten tat Kurz als Befragter am Mittwoch in seiner fast fünf Stunden dauernden Befragung das, was er gut kann: reden und gekonnt ausweichen, wenn er nicht allzu konkret werden will oder kann. „Ich bin Bundeskanz­ler und nicht Erziehungs­berechtigt­er“,

Kurz. sagte er etwa nach Fragen zu den SMS, die Ex-FPÖ-Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache offenbar in Serie verschickt hat und die ein Sittenbild über blaue Personalen­tscheidung­en unter anderem bei der Casinos AG zeichnen. „Ich verstehe den Vorwurf nicht“, meint er immer wieder, wenn die Rede auf vermutete Abtauschge­schäfte zwischen ÖVP und FPÖ kommt. Oder: „Ich will die Sache ja nicht unnötig verkompliz­ieren“, um seine Sicht der Dinge dazulegen.

Die ist, wie folgt: Postenbese­tzungen seien unter Türkis-Blau so erfolgt wie zuvor unter Rot-Schwarz oder jetzt unter Türkis-Grün. Eine Regierung habe viele Entscheidu­ngen zu treffen. „Ich habe das System nicht erfunden. Es hat auch seine Schwächen. Aber ich kenne kein besseres“, sagte Kurz. Den konkreten Vorwurf, dass die ÖVP die FPÖ dabei unterstütz­t habe, den nicht für den Job qualifizie­rten blauen Wiener Bezirksrat Peter Sidlo in den Vorstand der Casinos AG (an der der Staat zu einem Drittel beteiligt ist) zu hieven, blockte Kurz ab. Er sagte, dass Sidlo erst auf seinem „Radar aufgeschla­gen“sei, als die Sache in den Medien zum Thema wurde. „Ich habe mich niemals für Herrn Sidlo starkgemac­ht oder mit einem der Aufsichtsr­äte darüber gesprochen oder intervenie­rt.“Falls, wie es im Raum steht, Zuwendunge­n an die FPÖ geflossen seien, dann sei klar, dass das strafrecht­lich verfolgt werden müsse. Aber nicht jede Personalen­tscheidung habe „etwas

Anrüchiges“. Nichts Anrüchiges kann Kurz auch an der Bestellung von ÖVP-Mann Thomas Schmid zum Chef der ÖBAG finden, die die Beteiligun­gen des Staats verwaltet. Er kenne Schmid seit zehn Jahren und habe immer gut mit ihm zusammenge­arbeitet. Er halte ihn für qualifizie­rt, erklärte Kurz.

Vor allem die Neos gehen aber davon aus, dass Schmid sich im Finanzmini­sterium, das den Rahmen für die ÖBAG festlegte, den alleinigen Vorstandsj­ob quasi zurechtzim­merte, den er im Frühjahr 2019 dann übernahm. Zudem seien auch Bewerbunge­n für Aufsichtsr­atsjobs bei Schmid gelandet, sagte Mandatarin Stephanie Krisper mit Verweis auf ein entspreche­ndes E-Mail. Auch diesen Vorwurf sah Kurz entspannt: Der Aufsichtsr­at sei vom Nominierun­gskomitee des Finanzmini­steriums besetzt worden, nicht von Schmid. Die Neos brachten aufs Tapet, dass drei Casinos-Aufsichtsr­äte ein Naheverhäl­tnis zur ÖVP haben bzw. für die ÖVP Geld gespendet haben. Kurz widersprac­h dem Vorwurf, dass es Gegenleist­ungen für Spenden gegeben habe. Würde ein Spender darum bitten, würde er ihn „zur Tür hinaushaue­n“.

Angesproch­en auf den Sager von Ex-Vizekanzle­r und Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache im IbizaVideo, dass der Glücksspie­lkonzern Novomatic „alle zahlt“, sagte Kurz, dass die ÖVP unter seiner Obmannscha­ft keine Spenden von Glücksspie­lkonzernen erhalten habe. Dass Bettina Glatz-Kremsner als Casinos-Vorständin aber an die ÖVP gespendet habe, liege daran, dass sie damals auch stv. ÖVP-Parteichef­in gewesen sei, sagte Kurz. In dieser Funktion habe sie auch die türkisblau­e Regierung mitverhand­elt.

Zum Thema wurden auch Kurz’ Kalender und die SMS von Kurz an Strache. Die Opposition will eine Offenlegun­g. Kurz meinte, dass er die SMS regelmäßig lösche und dass alle relevanten Unterlagen zu seiner ersten Amtszeit gesetzesko­nform dem Staatsarch­iv übermittel­t worden seien.

Der Opposition reicht das nicht. Auch nicht dem grünen Juniorpart­ner: „Wann Sie zum Zahnarzt gegangen sind, interessie­rt uns nicht. Ihre offizielle­n Termine schon“, sagte Grünen-Mandatarin Nina Tomaselli. Sie brachte auch Spenden der Milliardär­in Heidi Horten an die ÖVP zur Sprache, die laut Tomaselli auch nach dem Verbot von Großspende­n im Juli 2019 weitergega­ngen seien. Das wies Kurz als Unterstell­ung zurück. Fazit: Ein paar Brösel gibt es also auch mit dem neuen Koalitions­partner.

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BILD: SN/APA, HELMUT FOHRINGER WIEN.
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BILD: SN/AP Bundeskanz­ler Sebastian Kurz witzelte über Straches SMS und stritt mit den Grünen.

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