Wie die Coronakrise den Schlaf beeinflusst
Warum haben die Menschen in den vergangenen Wochen und Monaten mehr, aber nicht unbedingt besser geschlafen? Salzburger Schlafforscher erklären das und sie betonen auch, warum Schlaf für das Immunsystem so wichtig ist.
Warum haben die Menschen in den vergangenen Wochen und Monaten mehr, aber nicht besser geschlafen?
SALZBURG. Lockdown, Kurzarbeit und Homeoffice sind an vielen Menschen nicht spurlos vorübergegangen. Wobei die Coronakrise den Alltag nicht nur ausschließlich negativ umgekrempelt hat. Das zeigen auch erste Studienergebnisse von Schlafforschern an der Universität Salzburg. Sie haben sich genau angeschaut, wie sich das Schlafverhalten in den vergangenen Wochen und Monaten verändert hat. Diese Arbeit ist nicht zuletzt deshalb relevant, weil Umfang und Qualität des Schlafs auch einen starken Einfluss auf das Immunsystem haben.
Manuel Schabus, Leiter des Labors für Schlaf- und Bewusstseinsforschung an der Universität Salzburg, hat nach den bisher vorliegenden Daten eine positive und eine negative Botschaft: Die gute Nachricht ist, dass die Mehrheit der Probanden in einen ihrer Natur und ihrer Veranlagung entsprechenden Schlafrhythmus gekommen ist.
„In Summe schliefen die Menschen mehr. Sie gingen auch an Wochentagen abends zu Bett und standen morgens auf wie sonst nur am Wochenende. Das ist ein super Zeichen, weil die Leute an allen Tagen gleich lang schlafen und so ein gleichmäßiger Rhythmus entsteht“, sagt Schabus im SN-Gespräch. Die Ausnahme seien Beschäftigte in den sogenannten systemrelevanten Bereichen gewesen, wie dem Gesundheitswesen zum Beispiel. Diese Menschen hätten durch die erhöhten Belastungen sogar eine Stunde Schlaf verloren.
Die Kehrseite ist nach Angaben des Schlafforschers, dass die
Schlafqualität gelitten habe: „Die Menschen sehen sich mit viel Unsicherheit konfrontiert. Wie geht es im Beruf und der Wirtschaft weiter? Behalte ich meinen Job oder werde ich gekündigt? Und das beschäftigt sie offenbar auch in der Nacht.“
Bestätigt werden diese Ergebnisse auch von einer Studie am Zentrum für Chronobiologie der Universität Basel. Die Befunde von Christine Blume zeigen ebenfalls, dass die Bevölkerung durch die Maßnahmen infolge des Lockdowns ihren Schlafrhythmus zwar besser auf die individuellen Bedürfnisse ausrichten kann und etwas mehr Schlaf findet. Gleichzeitig habe sich aber die Schlafqualität verschlechtert.
Die Schlafforschung hat inzwischen eindeutig belegt, wie wichtig ausreichender und guter Schlaf für das Immunsystem ist. Manuel
Schabus sagt, dass schon zwei Stunden weniger Schlaf über eine längere Zeit reichen, um das Immunsystem stark zu beeinträchtigen.
Tierversuche hätten zum Beispiel gezeigt, dass viele Tiere schon nach einer Nacht Schlafentzug an Viren gestorben seien. Jene Tiere mit ausreichend Schlaf hätten mehrheitlich überlebt. „Wer täglich weniger als sechs Stunden schläft, hat eine kürzere Lebenserwartung“, betont Schabus. „All jene, die behaupten, sie kommen mit vier, fünf Stunden Schlaf aus, machen sich etwas vor.“
Entsprechende Versuche, in denen Studienteilnehmer nicht mehr sehen und erkennen konnten, ob es Tag oder Nacht war und wie spät es gerade ist, zeigten klar: Innerhalb kürzester Zeit schliefen sie sieben bis neun Stunden. Und das ist auch genau die Schlafdauer, die man nach Angaben der Schlafforscher erreichen sollte.
Natürlich kann ausreichender Schlaf nicht unmittelbar vor einer Infektion mit dem neuen Coronavirus schützen, wie Schabus erklärt. Aber zu wenig oder schlechter Schlaf erhöhten einerseits akut die Anfälligkeit gegenüber Infektionen. Und langfristig begünstige chronischer Schlafmangel unter anderem Herz-Kreislauf- oder Autoimmunerkrankungen. Gerade im Hinblick auf eine hoffentlich bald verfügbare Impfung gegen SARS-CoV-2 ist auch spannend: Ausreichend Schlaf erhöht die Effektivität von Impfungen, weil über Nacht das Gedächtnis des Immunsystems verbessert und gestärkt wird. In Studien hat man zum Beispiel nachgewiesen, dass Schlafentzug in der ersten Nacht nach einer Impfung ganz schlecht ist. Drei Wochen später hätten diese Studienteilnehmer, wie Schabus erklärt, nur die Hälfte der Antikörper im Vergleich zu jenen ausgebildet, die in der ersten Nacht gut geschlafen hätten.
Die Schlafforscher haben auch einige konkrete Tipps parat, wie man gerade jetzt die Schlafqualität verbessern kann:
1. Verbringen Sie viel Zeit im Tageslicht, betreiben Sie Sport und pflegen Sie Ihre sozialen Kontakte. Licht, Bewegung und gesellschaftliches Leben sind wichtig für guten Schlaf und eine positive Stimmung. 2. Wenn Ihr Homeoffice andauert, richten Sie Ihren Arbeitsplatz, wenn möglich, nicht im Schlafzimmer ein, um Arbeit und Schlaf sauber zu trennen. Falls eine räumliche Trennung nicht möglich ist, arbeiten Sie nicht im Bett.
3. Behalten Sie gerade bei Kurzarbeit und weniger Tagesstruktur einen regelmäßigen Rhythmus von Schlaf, Arbeit und Freizeit bei. 4. Achten Sie gerade in Zeiten von Covid-19 auf ausreichend Schlaf, um das Immunsystem zu stärken und den psychischen Belastungen dieser besonders herausfordernden Zeiten auch entsprechend gewachsen zu sein. In der Regel sollten das täglich sieben bis neun Stunden Schlaf sein.