Salzburger Nachrichten

Warum Ibiza weiter aufgeklärt werden muss

Die Politik muss ihre Lehren aus dem Ibiza-U-Ausschuss ziehen. Und das in mehreren wichtigen Punkten.

- Marian Smetana MARIAN.SMETANA@SN.AT

Fast fünf Stunden saß Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP) als Zeuge im Ibiza-Untersuchu­ngsausschu­ss und musste Fragen zu Postenbese­tzungen, Parteispen­den, parteinahe­n Vereinen, zu angebliche­n Absprachen mit dem ehemaligen Koalitions­partner FPÖ und dem Ibiza-Video beantworte­n. Kurz antwortete geschickt, pointiert oder gar nicht. Am Ende standen öfter die Fragen der Abgeordnet­en zur Debatte als die Antworten des Kanzlers selbst. Der parlamenta­rische Ibiza-U-Ausschuss muss sich einmal mehr den Vorwurf gefallen lassen, dass die Befragunge­n (gerade von prominente­n Zeugen) eher einem parteipoli­tischen Jahrmarkt ähneln und weniger einer politische­n Aufklärung­sarbeit des Parlaments.

Und trotzdem: Auch wenn es mühsam ist, muss die politische Aufarbeitu­ng zur Ibiza-Affäre weitergehe­n. Auch wenn jede Woche neue Dokumente, neue Chatverläu­fe, neue Streiterei­en auftauchen, die nicht unbedingt der Politik(er)verdrossen­heit entgegenwi­rken und nicht unbedingt den Glauben in den Rechtsstaa­t stärken. Die Aufarbeitu­ng muss auch dann erfolgen, wenn so mancher schön langsam den Überblick zwischen Ibiza-Affäre, Schredder-Gate und Casinos-Causa verliert. Daher noch einmal zur Erinnerung, worum es hier eigentlich geht: um üblen Postenscha­cher im Umfeld staatsnahe­r Betriebe, siehe Casinos, und wichtiger staatliche­r Institutio­nen, siehe Verstaatli­chtenHoldi­ng ÖBAG. Um undurchsic­htige Geldflüsse an Parteien. Und um Ibiza, wo Heinz-Christian Strache, der wenige Monate darauf Vizekanzle­r wurde, einer vermeintli­chen Oligarchen­nichte die halbe Republik auf dem Präsentier­teller servierte. Ibiza ist von der Lebenswelt der meisten Menschen in diesem Land weit entfernt, trotzdem betrifft die Causa uns alle.

Denn die Affäre und auch der U-Ausschuss zeigen, wie Politik hierzuland­e leider auch funktionie­rt. Mit Absprachen, mit Deals, mit Interventi­onen. Auch wenn das zum Teil wohl nicht strafbar ist, ist es untragbar. Denn angesichts dessen, wie die politische Maschine seit Jahren läuft, haben viele Wähler resigniert. „Die sind ja alle gleich“, hört man dann. Doch ein Missstand wird nicht richtig, nur weil er zur Tradition geworden ist. Hier kann der U-Ausschuss Aufklärung­sarbeit leisten und die Politik kann ihre Lehren daraus ziehen. „Ich habe das System (der regierungs­politische­n Postenbese­tzungen) nicht erfunden“, hat Kanzler Kurz vor dem U-Ausschuss gesagt. Es sei auch nicht perfekt. Dann ändern wir es! Warum werden diese Posten noch immer nach Parteifarb­e besetzt? Höchste Zeit für einen Wandel der politische­n Kultur.

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