Warum Ibiza weiter aufgeklärt werden muss
Die Politik muss ihre Lehren aus dem Ibiza-U-Ausschuss ziehen. Und das in mehreren wichtigen Punkten.
Fast fünf Stunden saß Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) als Zeuge im Ibiza-Untersuchungsausschuss und musste Fragen zu Postenbesetzungen, Parteispenden, parteinahen Vereinen, zu angeblichen Absprachen mit dem ehemaligen Koalitionspartner FPÖ und dem Ibiza-Video beantworten. Kurz antwortete geschickt, pointiert oder gar nicht. Am Ende standen öfter die Fragen der Abgeordneten zur Debatte als die Antworten des Kanzlers selbst. Der parlamentarische Ibiza-U-Ausschuss muss sich einmal mehr den Vorwurf gefallen lassen, dass die Befragungen (gerade von prominenten Zeugen) eher einem parteipolitischen Jahrmarkt ähneln und weniger einer politischen Aufklärungsarbeit des Parlaments.
Und trotzdem: Auch wenn es mühsam ist, muss die politische Aufarbeitung zur Ibiza-Affäre weitergehen. Auch wenn jede Woche neue Dokumente, neue Chatverläufe, neue Streitereien auftauchen, die nicht unbedingt der Politik(er)verdrossenheit entgegenwirken und nicht unbedingt den Glauben in den Rechtsstaat stärken. Die Aufarbeitung muss auch dann erfolgen, wenn so mancher schön langsam den Überblick zwischen Ibiza-Affäre, Schredder-Gate und Casinos-Causa verliert. Daher noch einmal zur Erinnerung, worum es hier eigentlich geht: um üblen Postenschacher im Umfeld staatsnaher Betriebe, siehe Casinos, und wichtiger staatlicher Institutionen, siehe VerstaatlichtenHolding ÖBAG. Um undurchsichtige Geldflüsse an Parteien. Und um Ibiza, wo Heinz-Christian Strache, der wenige Monate darauf Vizekanzler wurde, einer vermeintlichen Oligarchennichte die halbe Republik auf dem Präsentierteller servierte. Ibiza ist von der Lebenswelt der meisten Menschen in diesem Land weit entfernt, trotzdem betrifft die Causa uns alle.
Denn die Affäre und auch der U-Ausschuss zeigen, wie Politik hierzulande leider auch funktioniert. Mit Absprachen, mit Deals, mit Interventionen. Auch wenn das zum Teil wohl nicht strafbar ist, ist es untragbar. Denn angesichts dessen, wie die politische Maschine seit Jahren läuft, haben viele Wähler resigniert. „Die sind ja alle gleich“, hört man dann. Doch ein Missstand wird nicht richtig, nur weil er zur Tradition geworden ist. Hier kann der U-Ausschuss Aufklärungsarbeit leisten und die Politik kann ihre Lehren daraus ziehen. „Ich habe das System (der regierungspolitischen Postenbesetzungen) nicht erfunden“, hat Kanzler Kurz vor dem U-Ausschuss gesagt. Es sei auch nicht perfekt. Dann ändern wir es! Warum werden diese Posten noch immer nach Parteifarbe besetzt? Höchste Zeit für einen Wandel der politischen Kultur.