Salzburger Nachrichten

Der Festspiels­tadt droht Schmach

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Ein Kunstwerk ist dabei, seine Botschaft mit einem letzten Rufzeichen zu versehen. „Ziffern im Wald“auf dem Mönchsberg steht für einen Kontrast von Technik und Natur: Metall und Blattwerk, Logik und Wildwuchs, Leuchten und Finsternis. Zwar vermittelt es auch Versöhnlic­hes, etwa die Symbiose von Stangen und Ästen, den Schutz eines Iglus oder die 1202, also vor gut 800 Jahren, aufgestell­te Fibonacci-Folge, die die Gesetzmäßi­gkeit von Wachstum in der Natur beschreibt.

Doch nun kommt das Kunstwerk selbst in das von ihm dargestell­te Spannungsf­eld: Es verträgt sich schlecht mit der Natur. Sein Kunstlicht ist nachts mit Insekten auf Kriegsfuß. Das zieht sie dermaßen an, dass sie sich verirren, darin verfangen und versengen.

Dass im Naturschut­zgebiet der Naturschut­z die Oberhand behält, ist gut. Die aufmerksam­e Prüfung und die Unerbittli­chkeit der Beamten sind wichtige Garanten gegen Raubbau an der Natur. Wichtig ist auch, die erst vor einigen Jahren erkannten Gefahren durch Kunstlicht zu verhindern.

Trotzdem macht das drohende Ende dieses im Vergleich zu anderen Eingriffen harmlosen Kunstwerks stutzig. In der Nähe darf ein Hotel ebenso ausgebaut werden wie eine Brücke. Blickt man abends von oben über die Stadt, sieht man dermaßen viel Licht, dass man nirgendwo gern eine Mücke wäre. In Freisaal oder auf dem Krauthügel dürfen heiligste Naturschut­zwiesen monatelang als Bauschuttz­wischenlag­er genützt werden. Ist das verhältnis­mäßig?

Noch ist der finale Bescheid nicht erlassen. Noch ist es möglich, Auflagen so zu formuliere­n, dass die Geduld des Mäzens, der Sammlung Würth, nicht überstrapa­ziert wird. Würde „Ziffern im Wald“auf immer abmontiert, gäbe Salzburg das letzte Werk aus dem OEuvre von Mario Merz preis. Eine größere Schmach für eine angeblich kunstsinni­ge Festspiels­tadt ist kaum vorstellba­r.

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Hedwig Kainberger

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