Robotern fällt das Schreiben schwer
Ein Newsportal ersetzt Journalisten durch Software. Und hat Probleme. Wieso just die menschliche Ironie viele Jobs retten dürfte.
SALZBURG. Ein Interview mit Popsängerin Jade Thirlwall, vor Kurzem veröffentlicht auf dem Nachrichtenportal MSN. In diesem schildert die Britin mit jemenitischen und ägyptischen Wurzeln ihre „schrecklichen“Erfahrungen mit Rassismus. Und wie wird der Artikel bebildert? Mit einem Foto ihrer karibischstämmigen Bandkollegin Leigh-Anne Pinnock. „Es beleidigt mich, dass ihr in einer Gruppe mit vier Mitgliedern die zwei dunkelhäutigen Frauen nicht auseinanderhalten könnt. Werdet besser!“, postete Thirlwall daraufhin auf Instagram.
Der Fehler hätte wohl ohnehin aufgeregt. Doch er bietet eine besondere Facette: Das Foto hat eine Software ausgewählt. Wie US-Medien berichten, will Microsoft das Portal MSN künftig weitgehend einem Algorithmus überlassen. Dieser soll Texte von zuliefernden Medien auswählen, aufbereiten, platzieren. 77 Jobs gehen so verloren.
Der Fall heizt eine Diskussion an, die nicht nur die Medienbranche seit Jahren begleitet: Macht bald Software die Arbeit von Journalisten, Werbetextern, Autoren? Zumal Algorithmen schon länger Texte nicht nur kuratieren, sondern selbst verfassen können. Der „Quakebot“schreibt etwa bereits seit 2014 für die „LA Times“Kurzberichte zu Erdbeben in Kalifornien. Und auch bei „Focus“, „Welt“, „Weser-Kurier“
und „Handelsblatt“wurden oder werden maschinell erzeugte Börsennews, Wettermeldungen, Fußballberichte veröffentlicht.
In Österreich bietet die Austria Presse Agentur (APA) seit grob einem Jahr „Automated Journalism“. „Wir generieren Geschichten aus Daten“, schildert Katharina Schell, Mitglied der APA-Chefredaktion. Werde etwa österreichweit gewählt, brauche es für jede der rund 2100 Gemeinden einen eigenen Text. Das sei aber allein zeitlich „fast nicht
machbar“. Deshalb übernehme die Arbeit ein Algorithmus. Dieser mache aber Journalisten nicht überflüssig, sagt Schell. Denn zum einen brauche es auch für die Software Menschen. Zum Beispiel, um die Parameter, die Vorgaben, zu definieren oder die Daten zu speisen. Zum anderen müsse ein Journalist so nicht mehr „Zahlen zusammenklauben“– sondern könne sich etwa dem Interview mit dem Wahlsieger widmen.
Für viel mehr sei Roboterjournalismus indes noch nicht geeignet. Es gebe zwar schon Anwendungen wie jene auf talktotransformer.com, der ein Satz reicht, um einen Text zu bauen. Dieser sei dann meist „stilistisch super“. Aber journalistischen Ansprüchen genüge er nicht. „Er
ist nicht plausibel, nachvollziehbar, glaubwürdig.“
Zumindest einen Sprung in der Entwicklung sieht Roland Kwitt, assoziierter Professor für Maschinelles Lernen an der Uni Salzburg. Vor allem die IT-Riesen wie Amazon oder Google würden die Entwicklung von Textrobotern vorantreiben. So würden diese zwar grammatikalisch wie stilistisch immer besser werden – weil sie durch die vielen (meist englischsprachigen) Trainingsdaten zunehmend lernten. Aber „vom Inhalt her“fehle viel. Faktoren wie das persönliche Netzwerk des Redakteurs noch völlig außen vor. Dazu gebe es in der Forschung eine ethische Debatte: Soll überhaupt Software veröffentlicht werden, die automatisiert auch Fake News produzieren kann? Noch gebe es dazu keinen Konsens.
Parallel kämpften die Algorithmen aber immer noch mit sprachlichen Hürden, sagt Manfred Glauninger, Soziolinguist an der Uni Wien und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. „Jeder
Roboter hat als Grundlage formale Logik. Das greift aber für menschliche Kommunikation viel zu kurz.“So könnten Textroboter nicht mit Ironie umgehen. Denn in solchen Fällen könnte etwas anderes gemeint sein, als gesagt wurde – oder auch nicht. „Und das kann man eigentlich nicht vorprogrammieren.“Dazu komme der Faktor Kontext: Dieser könne von Situation zu Situation völlig anders sein. „Wenn ich 100 Millionen Kontexte speise, dann habe ich vielleicht zwei Treffer.“Dass Algorithmen mehr können, als „Gebrauchstexte“zu erstellen, dass sie reflektieren und entsprechend handeln/texten, werde „noch lange nicht der Fall sein“. Ähnlicher Ansicht ist auch Computerwissenschafter Roland Kwitt. Der nächste Schritt wäre, dass man einer Maschine x YouTube-Videos speise – und sie daraus selbstständig lerne, wie die Welt funktioniert. Da stehe man aber noch ganz am Anfang. „Dass der Mensch ersetzt werden kann, glaub ich nicht. Oder zumindest werden wir es wohl nicht mehr erleben.“