Wo der Mensch zum Tier und das Tier zur Maschine wird
Der nächste Skandal in der Lebensmittelbranche kommt bestimmt. Wir haben es selbst in der Hand, ob wir dabei sein wollen.
14 Stunden Arbeit am Tag, vier Euro Stundenlohn und eine Unterkunft, die den Namen nicht verdient. Die Erntehelfer hausten in verschimmelten Räumen auf Stockbetten. Und als ob das nicht menschenunwürdig genug gewesen war, mussten sie auch noch vier Euro pro Nacht bezahlen. Diese Beschreibung lässt an Sklaven- oder Gefängnisarbeit denken. Nur dass Sklaven und Häftlinge nicht für ihre Übernachtungen bezahlen müssen. All das hat sich noch bis vor Kurzem in einem Spargelbetrieb im Bezirk Gänserndorf zugetragen.
Die Geschichten um die Arbeitsbedingungen, Entlohnungen und Unterbringung in industriellen Schlachthöfen Deutschlands sind nicht minder schauderhaft. War man es früher gewohnt, gegen Tierleid vorzugehen, sieht man sich heute auch immer öfter mit Menschenleid konfrontiert. Das Dramatische an dieser Situation: Das Ganze hat System. Der Markt verlangt nach bezahlbarem Gemüse und billigem Fleisch. Im Großmarkt kosten Artischocken und Avocados heute sogar schon mehr als Schweinefleisch. Alles zusammen verschlingt in der Produktion Unmengen an Energie und Trinkwasser. Es scheint, als ob sich die Menschheit wie ein Hefepilz gierig selbst ihre Lebensgrundlage entzieht. Sie frisst, bis sie an sich selbst erstickt.
Wie obszön unsere Ernährung insgesamt heute schon ist, das erkennt man daran, dass Tiere wie Maschinen behandelt werden (wenn überhaupt so gut) und Menschen wie Tiere. Auf der anderen Seite werden Tiere wiederum wie Menschen behandelt. Das Wagyu-Rind etwa kam vor Jahrzehnten nicht deshalb in die Schlagzeilen, weil dessen Fleisch so gut schmeckt. Es war die außerordentlich gute Pflege, die das Tier erhält. Ein Wagyu-Rind trinkt täglich durchschnittlich einen Liter Bier, hört Mozart und wird stundenlang massiert, damit das Fleisch schön marmoriert wird.
Wäre die blöde Schlachtung zum Schluss nicht, dann könnte man sich auf der Stelle für diese Stelle im Stall interessieren.
Gibt es einen gesunden Mittelweg? Ja. Natürlich. Zumindest gab es den schon einmal. Wer im Freilichtmuseum Großgmain ein paar der alten Ställe besucht, der fühlt sich wie ein Adeliger. Denn damals standen die Schweine und Rinder unter kunstvoll gemauerten Gewölben. Von solchen Unterkünften können heute sogar Besserverdiener nur träumen. Das Tier wurde damals noch als Partner betrachtet und Obst und Gemüse als Geschenk Gottes. Dieser Zustand scheint heute unerreichbar für uns zu sein. Und trotzdem hat es jeder selbst in der Hand, sich über Produktionsmethoden seiner Lebensmittel zu erkundigen. Das könnte helfen, wenn man beim nächsten Skandal in der Lebensmittelbranche nicht dabei sein will.