Experten warnen: Coronakrise wird die Armut verschärfen
Schon vor Ausbruch der Coronapandemie waren im Bundesland 14 Prozent der Bevölkerung armutsoder ausgrenzungsgefährdet, das sind rund 77.000 Menschen. Durch die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Krise sei mit einem Anstieg zu rechnen, warnten am Mittwoch Vertreter mehrerer Sozialeinrichtungen und der Salzburger Armutskonferenz.
26.000 Salzburger sind derzeit arbeitslos – doppelt so viele wie im Juni des Vorjahrs. Jeder zweite Beschäftigte ist in Kurzarbeit. „Frauen spüren die Auswirkungen besonders stark“, sagt Ines Grössenberger von der AK Salzburg. Gerade in den krisengebeutelten Dienstleistungsbetrieben und im Tourismus seien überdurchschnittlich viele Frauen beschäftigt. Die Hoffnung, dass die Anwesenheit beider Eltern im Homeoffice die Arbeitsteilung zu Hause fördern würde, habe sich nicht erfüllt. „Unbezahlte Arbeit war auch in der Krise weiblich.“
In der Caritas-Sozialberatung habe sich die Zahl der telefonischen Anfragen verdreifacht, sagt Torsten Bichler. Stark sei die Nachfrage nach Mitteln aus dem mit 200.000
Euro dotierten Solidaritätsfonds. Gestiegen sei auch die Zahl der Menschen, die sich zum ersten Mal an die Caritas gewandt hätten, sagt Bichler und nennt das Beispiel einer alleinerziehenden Mutter aus dem Pinzgau. Sie habe in einem Café gearbeitet und sei noch immer in Kurzarbeit, zusätzlich habe sie große Einbußen durch den Wegfall des Trinkgelds. Vom Vater des Kinds bekomme sie weniger Unterhalt, weil er arbeitslos geworden sei.
Obwohl die Schuldnerberatung nicht für Selbstständige zuständig sei, hätten viele Unternehmer angerufen, die sich nicht mehr in der Lage sähen, ihren Betrieb weiterzuführen, schildert Inge Honisch. Je länger die Menschen ohne Job oder in Kurzarbeit seien, desto prekärer werde die Lage. Die Stundung der Miete sei zu Beginn eine sinnvolle Maßnahme gewesen. „Sie bedeutet aber nur einen Aufschub.“
Die vielen Facetten von Armut seien während der Pandemie sichtbar geworden, sagt Carmen Bayer, Sprecherin der Armutskonferenz: mangelnde soziale Teilhabe, beengte Wohnverhältnisse und Kinder, die durch die fehlende technische Ausstattung zu Hause schulisch benachteiligt seien. „Nach den kurzfristigen Maßnahmen braucht es jetzt einen langfristigen Plan, um Armut einzudämmen.“Immer mehr Menschen könnten sich das Wohnen nicht mehr leisten. Eine Mietobergrenze müsse her. „Immer mehr Menschen sind arm, obwohl sie arbeiten, ihnen bleibt aber nicht genug für ein würdiges Leben.“Das neue Sozialunterstützungsgesetz bessere ihre Lage nicht und gehöre überarbeitet.
„Die Zahl der telefonischen Anfragen hat sich verdreifacht.“
„Viele können sich das Wohnen nicht mehr leisten.“
Auch Senioren seien von Armut betroffen, sagt Gabriele Huber vom Diakoniewerk. Der telefonische Besuchsdienst Freiwilliger sei für viele ältere Menschen in der Zeit der Isolation der einzige Kontakt gewesen. „Die Einsamkeit hat oft zu depressiven Verstimmungen geführt. “