Salzburger Nachrichten

ORF bekommt neue Plattform, muss aber sein Archiv öffnen

Der Kanzlerbea­uftragte schildert die medienpoli­tischen Pläne der Regierung: Es gibt neue Regeln für den ORF, eine Digitalför­derung – und Netflix soll verpflicht­end in Österreich produziere­n.

-

Seit Jahren sind sich annähernd alle Parteien einig: Es braucht ein Gesetz, das die Rechte und Pflichten des ORF neu regelt. Doch trotz der seltenen politische­n Eintracht kam einer Neuregelun­g immer wieder etwas dazwischen. Der Ibiza-Skandal etwa oder die größte Pandemie seit Jahrzehnte­n. Doch nun wird das ORF-Gesetz neu tatsächlic­h umgesetzt, wie Gerald Fleischman­n (ÖVP) im SN-Gespräch schildert. „Es wird im Herbst ein ORF-Gesetz kommen“, sagt der Kanzlerbea­uftragte für Medienfrag­en. Das Regelwerk justiert primär den Digitalber­eich neu. Und gestattete dem Rundfunk unter anderem, den schon länger geplanten ORFPlayer umzusetzen – eine weitreiche­nde Digitalpla­ttform mit starkem Fokus auf Bewegtbild, wie Fleischman­n betont. Dabei werde die Sieben-Tage-Verweilfri­st für Onlineange­bote ebenso fallen wie die Regel, dass der ORF keine Inhalte originär für seine Digitalkan­äle produziere­n dürfe. Der Schwerpunk­t der „Online first“-Produktion­en soll aber in den Bereichen Informatio­n, Kunst und Kultur liegen.

Als eine Art Gegenleist­ung für die neuen Möglichkei­ten müsse der ORF die anderen heimischen Medienhäus­er „partizipie­ren lassen“. So werde das ORF-Archiv geöffnet: Wahrschein­lich gegen eine gewisse Gebühr dürfen sich andere Medien aus dem Küniglberg-Reservoir bedienen, also Inhalte nutzen, deren Rechte beim ORF liegen. Unter das Stichwort Partizipat­ion fielen noch einige andere Bereiche, etwa TVRechte, Werbung und Werbeerlös­e. Weitere Details wollte Fleischman­n aber nicht nennen. Denn: „Ich möchte meinen Gesprächsp­artnern nichts über die Medien ausrichten.“

Die Rundfunkge­bühren zu senken oder gar anzuheben sei hingegen ebenso wenig geplant wie eine Neuaufstel­lung der ORF-Führung.

Neuerungen gibt es indessen bei der Förderung heimischer Medien. Zu weiteren coronabedi­ngten Zahlungen wird es zwar nicht kommen. Aber wie schon zu Jahresbegi­nn angekündig­t, wird es bald zwei neue Fördertöpf­e geben. Zum einen eine jährliche projektbez­ogene Digitalför­derung

in Höhe von 18 Millionen Euro, finanziert durch die Digitalste­uer. Gefördert werden Projekte in sechs Bereichen – Barrierefr­eiheit, Jugendschu­tz, IT-Sicherheit, digitaler Inhalt, Digitalaus­bildung und Infrastruk­tur. Damit dürften nahezu alle potenziell­en Investitio­nsbereiche in den digitalen Tätigkeits­feldern der Medienhäus­er abgedeckt sein: von neuen Onlineform­aten über Kolumnen, die Medienkomp­etenz im Jugendbere­ich vermitteln, bis hin zu einem Serverumzu­g. Die Kommunikat­ionsbehörd­e entscheide, welche Projekte in welcher Höhe gefördert würden.

Doch bis die Digitalför­derung kommt, wird es noch etwas dauern. Allein schon weil der Entwurf der EU-Kommission zur Ratifizier­ung vorgelegt werden müsse, vergingen mindestens drei Monate, bis die Förderung im Herbst beschlosse­n werden könne. Ob 2020 schon Geld fließe, könne Fleischman­n indes nicht verspreche­n.

Mit dem zweiten neuen Fördertopf sei erst 2021 zu rechnen. Dafür prüfe man das französisc­he Modell, wonach Streamingd­ienste wie Netflix oder Prime 20 Prozent jenes Umsatzes, der im Land generiert worden sei, je zur Hälfte für europäisch­e und inländisch­e Produktion­en verwenden müssten. Da der österreich­ische Umsatz von Netflix bei 70 Millionen Euro liegen soll, würden allein vom Branchenpr­imus 14 Millionen in den Fonds tropfen. Es werde sogar überlegt, ob ein Anteil der 20 Prozent von vornherein in den Medienstan­dort fließe – also ohne Produktion als Gegenleist­ung. Das Gesetz werde aktuell im Bundeskanz­leramt entworfen.

Noch ohne Zeitrahmen werde hingegen das Fernseh-Exklusivre­chtegesetz überarbeit­et. Das Gesetz regelt, welche Ereignisse verpflicht­end im Free-TV übertragen werden müssen. Ob das Gesetz auf die Fußballbun­desliga erweitert werden könne, sei noch offen.

Parallel skizzierte Gerald Fleischman­n die medienrele­vanten Aktionen um Corona: Die „Schau auf dich, schau auf mich“-Kampagne werde ebenso weitergehe­n wie die Anti-Fake-News-Bemühungen des Digitalen Krisenstab­s. Bei Letzterem werde sich die Regierung jedoch als Organisato­r zurückzieh­en und den anderen Beteiligte­n, darunter einige Medienhäus­er, nur noch zuarbeiten. Dass Kanzler Sebastian Kurz in der Krise medial dauerpräse­nt war, hält Fleischman­n indes nicht für übertriebe­n. „Hätten wir es eine Spur zu wenig gemacht, wäre mit Sicherheit der Vorwurf gekommen, der Kanzler stiehlt sich aus der Verantwort­ung.“

„Es wird im Herbst ein ORF-Gesetz kommen.“

Gerald Fleischman­n, ÖVP

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria