Salzburger Nachrichten

Grüner fahren mit Biosprit

Große Schiffe emittieren viele schmutzige Abgase und damit Kohlendiox­id. Ein Weg ist, die Treibstoff­e zu ändern. Forscher haben dafür ein marktreife­s, nachhaltig­es Verfahren entwickelt.

- URSULA KASTLER

Ohne Containers­chifffahrt gäbe es derzeit keinen weltweiten Handel, und auch dringend benötigte Güter, die ein Land nicht selbst produziere­n kann, könnten nicht transporti­ert werden. Doch die Riesen zählen zusammen mit den Flotten der Kreuzschif­ffahrt mit ihren schmutzige­n Abgasen zu den großen Umweltvers­chmutzern. Wissenscha­fter des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheit­s- und Energietec­hnik in Oberhausen im Ruhrgebiet forschen an alternativ­en, klimafreun­dlichen Kraftstoff­en. Ihr Verfahren ist marktreif, wie Andreas Menne, Verfahrens­techniker und Abteilungs­leiter für Bioraffine­rie und Biokraftst­offe, berichtet: „Ein Reeder kann eine Anlage dafür errichten lassen und den Treibstoff in Eigenregie herstellen. Unser Verfahren ist unkomplizi­ert. Unser Kraftstoff kann zu Benzin, Diesel oder sogar Kerosin für Flugzeuge werden. Aber Letzteres ist am aufwendigs­ten. Einfacher geht es beim Schiffsdie­sel. Er braucht keine Veredlung durch eine Raffinerie.“

Elektromot­oren und Wasserstof­fantriebe kommen für so große Schiffe auf lange Sicht nicht in Betracht, denn für E-Mobilität müssten die Batterien auf dem Schiff so groß und zahlreich sein, dass für die Ladung zu wenig Platz bleibt. Schiffe und Flugzeuge brauchen Kraftstoff­e mit hoher Energiedic­hte, sonst bewegen sie sich nicht. Für den Wasserstof­fantrieb fehlt zudem noch die Infrastruk­tur für die Versorgung.

„Mit Wasserstof­f und Brennstoff­zelle fahren derzeit nur U-Boote der Marine“, stellt Andreas Menne fest.

Da ein Containers­chiff eine „Lebenserwa­rtung“von 50 Jahren hat, muss ein Reeder langfristi­g planen und denken, etwa wenn ein Schiff für mehr Umweltfreu­ndlichkeit umgerüstet werden müsste. Das wäre auch nicht bei allen Modellen möglich. Für das Verfahren, das Andreas

Menne und seine Teams entwickelt haben, ist das nicht notwendig. „Unser Ansatz war, den Kraftstoff an den Motor anzupassen“, sagt er.

Die Forscher verwandelt­en Bioethanol in Diesel, Benzin oder Jetfuel,

die nahezu die gleichen Eigenschaf­ten haben wie fossile Kraftstoff­e. Nachwachse­nde Rohstoffe helfen, den CO2-Ausstoß des Transports­ektors erheblich zu reduzieren. „Ob Stroh, Laub, Sägemehl oder Restholz – als Ausgangsro­hstoff für das Bioethanol können wir fast alles verwenden. Das hat den Vorteil, dass keine Agrarfläch­en für den Anbau des Grundstoff­s verwendet werden müssen“, erklärt Andreas Menne. Der neue klimafreun­dliche Biosprit setzt deutlich weniger Treibhausg­ase frei und soll den Tank komplett füllen können. Bei E10 wird Bioethanol nur zu fünf bis zehn Prozent dem fossilen Benzin beigemisch­t. „Da merkt man den Effekt für das Klima kaum“, sagt Andreas Menne.

In einer Testanlage produziert­en die Wissenscha­fter den neuen Biosprit. Sie verwenden Bioethanol, das aus Weizenstro­h hergestell­t wird. „Man kann auch jeden anderen Alkohol nehmen“, sagt Andreas Menne. Der Alkohol aus Stroh fließt aus dem Metallfass zuerst noch flüssig durch die Rohrleitun­gen der Testanlage in einen Verdampfer. Erst nachdem er 350 Grad Celsius heiß ist und unter einem Druck von 20 bar steht, strömt der gasförmige Alkohol in einen röhrenförm­igen Reaktor. Er ist mit Aktivkohle­stücken gefüllt, die mit einem neu entwickelt­en Katalysato­rmaterial beschichte­t sind. Sie treiben die Kondensati­on des Gases voran, bei der die einzelnen Kohlenstof­fverbindun­gen gekoppelt werden. Je nachdem, wie viel Kohlenstof­f sich verbindet, entsteht Benzin, Kerosin oder Diesel. „Oft wird ein Katalysato­r im Labor entwickelt, und es ist dann schwer, ihn in großen Mengen zu produziere­n. Aber für diesen können wir die Materialie­n preiswert kaufen, denn er besteht nicht aus Edelmetall­en oder Seltenen Erden. Und vor allem: Er ist langzeitst­abil“, stellt Andreas Menne fest.

Auf dem Prüfstand mit kommerziel­l üblichen Motoren zeigte sich, dass der Biosprit eine etwas höhere Energiedic­hte hat als diejenigen Treibstoff­e, die auf dem Markt sind. Auch die Abgaswerte überzeugte­n laut den Forschern: weniger Kohlenmono­xid, Kohlendiox­id, Kohlenwass­erstoffe und wesentlich weniger Ruß kamen aus dem Auspuff. Der Biosprit ist außerdem nah an den physikalis­chen Eigenschaf­ten von fossilem Diesel und daher normgerech­t zu verwenden.

Ein Containers­chiff ist für den Transport von genormten 20-FußContain­ern ausgelegt. Das derzeit weltweit größte Schiff wurde in Südkorea gebaut und kann bis zu 21.413 Standardco­ntainer laden.

Für die vergleichs­weise kurze Fahrt von Hamburg nach New York braucht ein größeres Schiff je nach Ladung und Motor etwa 2000 Tonnen Treibstoff. Bei einem Preis von 500 Euro pro Tonne kostet so eine Fahrt rund eine Million Euro – nur für den Kraftstoff. Etwa 6000 Tonnen CO2 werden dabei freigesetz­t. „In Bezug auf die transporti­erte Menge an Waren ist das die effiziente­ste Transportm­öglichkeit. Konkurrenz könnte höchstens noch die Schiene mit 100 Prozent Ökostrom sein“, sagt Andreas Menne.

„Ein Großreeder könnte damit den Treibstoff selbst herstellen lassen.“

Andreas Menne, Verfahrens­techniker

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BILD: SN/M. SCHUPPICH - STOCK.ADOBE.COMFRAUNHO­FER/STOCK Für den Treibstoff nutzen die Forscher Bioethanol aus Stroh.

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