Mozarts Mutter wird unterschätzt
Die Feiern zu Anna Maria Mozarts 300. Geburtstag beginnen am Ort ihrer Geburt: in St. Gilgen.
SALZBURG, ST. GILGEN. Hartnäckig halten sich Vorurteile gegen die Mutter Mozarts, vor allem das ihrer unbedeutenden Unscheinbarkeit. Als Frauen seiner Familie werden nur seine Ehefrau Constanze und seine Schwester Maria Anna erwähnt – und auch die, obgleich professionelle Pianistin, oft als „Nannerl“verniedlicht.
„Die Mutter kommt in MozartBiografien oft schlecht weg“, bestätigt die in der Stiftung Mozarteum tätige Musikwissenschafterin Eva Neumayr, die viele Mozart-Biografien nach Einschätzungen über Frauen durchsucht hat. Vor allem in Biografien, die in den 50er-Jahren zum MozartJahr 1956 erschienen seien, heiße es immer wieder: Wolfgang habe die Musikalität von seinem Vater und das Fäkale von seiner Mutter. „Das ist Blödsinn“, versichert Eva Neumayr. Das Vorurteil, das Geniale werde ausschließlich über den Vater vererbt oder vermittelt, habe sich lange gehalten.
Tatsächlich war Anna Maria Mozart eine gebildete Frau. Ihr Vater, Wolfgang Nikolaus Pertl, sei derart guter Musiker gewesen, dass er sein Jusstudium in Salzburg über Singen und Musizieren finanziert habe, erläutert Eva Neumayr. Auch in der Stiftsmusik von St. Peter habe er mitgewirkt, allerdings nicht für Geld. „Die haben ums Essen gesungen, also waren sie versorgt.“Anna Maria Pertls Vater „war jedenfalls musikalisch“, und es sei „durchaus möglich, dass Wolfgang etwas von seiner Begabung von seiner Mutter bekommen hat“. Wolfgang Nikolaus Pertl arbeitete zunächst in Wien, wo er Eva Rosina Puxbaum heiratete, die aus der Wachau stammte und als Witwe eines hohen Beamten ihren Töchtern vermutlich anderes als „Fäkales“vermittelt hat. Mit ihr zog Wolfgang Nikolaus Pertl 1716 als Pflegegerichtsverwalter nach St. Gilgen. Hier baute er jenes Pflegerhaus, in dem Anna Maria am 25. Dezember 1720 geboren wurde und das nun als „Mozarthaus“genutzt wird.
Der Vater starb früh – Anna Maria war vier Jahre alt – und hinterließ infolge des Hausbaus hohe Schulden. „Er war nicht untüchtig, er ist nur ungünstig verstorben“, stellt Eva Neumayr fest.
Also sei die Mutter mit den zwei Töchtern „in die Stadt“gezogen – nach Salzburg, „wo sie sehr arm war und die Kinder durch Handarbeit durchgebracht hat“. Die Schwester starb früh.
Dass Anna Maria eine Bildung genossen habe, zeige sich daran, dass „sie hat schreiben können“. Dies sei für Mädchen im 18. Jahrhundert keinesfalls selbstverständlich gewesen. Möglicherweise sei Anna Maria bei den Ursulinen in die Schule gegangen oder ihre Mutter habe sie unterrichtet, schildert Eva Neumayr.
Anna Maria Mozarts Bildung und Musikalität ist noch an anderen Details abzulesen: „Leopold hat seine Frau sehr respektiert“, das werde in Briefen deutlich, stellt Eva Neumayr fest. Zudem sei mit ihr „selbstverständlich über Musik diskutiert“worden: Leopold wie Wolfgang hätten ihr Urteil geschätzt. Und: „Dass Leopold seinen Sohn mit der Mutter nach Paris schickt, zeigt sein großes Vertrauen in sie“, versichert die Musikwissenschafterin.
Die Mutter habe Reise und Unterkünfte organisiert, „das war für sie strapaziös“. In Paris sei sie meist allein in einem finsteren Zimmer gesessen, während der Sohn unterwegs gewesen sei. Die Ursache ihres Todes am 3. Juli 1778 in Paris sei ungewiss – „vermutlich Typhus durch schlechtes Wasser“, sagte Eva Neumayr, die ehrenamtlich die „Maria Anna Mozart Gesellschaft“leitet. Diese bemühe sich nicht nur um das Ansehen von Mozarts Schwester, „uns sind alle Frauen ein Anliegen“. In der Konzertreihe „Frauenstimmen“wird voraussichtlich bis Jahresende auch Anna Marias 300. Geburtstag thematisiert.
„Anna Maria Mozart war die unauffälligste Persönlichkeit der Familie Mozart, keinesfalls aber die unbedeutendste“, heißt es in der Ankündigung zum Vortrag des Dirigenten Georg Mais im Mozarthaus St. Gilgen; damit beginnt heute, Freitag, das dortige Jubiläumsprogramm zum 300. Geburtstag Anna Maria Mozarts. Deren Todestag würdigt die Stiftung Mozarteum in einer Sonderführung in Mozarts Geburtshaus.
Vortrag: Georg Mais, „Anna Maria Mozart und die Großen ihrer Zeit“, Mozarthaus St. Gilgen, Freitag, 3. Juli, 20 Uhr.
Konzerte: „Madame Mutter, ich esse gerne Butter!“, Mozarthaus St. Gilgen (bei Schönwetter im Garten), 19. Juli sowie 2. und 9. August, jeweils 19.30 Uhr.
Führung: Todestag von Anna Maria Mozart, Mozarts Geburtshaus, Salzburg, 3. Juli, 14 Uhr.
„Die Mutter kommt in Mozart-Biografien oft schlecht weg.“Eva Neumayr, Stiftung Mozarteum
„Leopold hat seine Frau sehr respektiert, sie war sicher gebildet.“Eva Neumayr, Stiftung Mozarteum