Salzburger Nachrichten

Was Athen mit zwei Milliarden macht

Damit Griechenla­nd die Migrations­ströme bewältigen kann, flossen seit 2015 zwei Milliarden Euro aus Brüssel. Zehn Millionen sind dafür bestimmt, faire Asylverfah­ren sicherzust­ellen. Die gibt es aber nicht, kritisiert die NGO Oxfam.

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WIEN, ATHEN. Gespräche mit Flüchtling­en, Anwälten, Asylexpert­en und Mitarbeite­rn des UNO-Flüchtling­shilfswerk­s UNHCR sind die Grundlage des Berichts, den Oxfam diese Woche vorgestell­t hat. Die NGO prangert darin das neue griechisch­e Asylgesetz an. Es ist seit Jahresbegi­nn in Kraft und wurde im Mai noch einmal ergänzt. Was Oxfam vor allem kritisiert: Die Verfahren wurden mit der Reform derart beschleuni­gt, dass Einspruchs­fristen verstriche­n, bevor die Asylsuchen­den überhaupt ihren Bescheid erhielten. Zudem brauche man de facto einen Anwalt, um gegen negative Bescheide vorzugehen. Auf den griechisch­en Inseln, wo die großen

Flüchtling­slager sind, sei es aber beinahe unmöglich, einen Anwalt zu bekommen. Die meisten Flüchtling­e blieben auf Rechtsbeis­tand durch NGOs angewiesen, deren Kapazitäte­n das aber übersteige.

Ein weiterer Kritikpunk­t in dem Bericht ist die „administra­tive Haft“für Asylsuchen­de. Viele Menschen würden festgehalt­en, ohne zu wissen weshalb und für wie lange. Betroffen seien auch Kinder. Laut dem Bericht waren Mitte Juni 229 unbegleite­te Kinder in Haft.

Im Fall von Ungarn liegt ein ähnlicher Fall derzeit vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f (EuGH). Der Generalanw­alt hat das Festhalten von Asylsuchen­den in den ungarische­n Transitzon­en für die Dauer des Asylverfah­rens als „rechtswidr­ige

Haft“bezeichnet. Das Urteil der Richter, das in den meisten Fällen jenem des Generalanw­alts folgt, steht allerdings noch aus.

Der Oxfam-Bericht zeigt außerdem auf, dass Asylsuchen­de, die 2019 auf den griechisch­en Inseln angekommen sind, mitunter erst im Oktober 2021 einen Termin für eine erste Befragung haben – was freilich viel zu lange dauert. Die Anträge von Asylsuchen­den, die seit der Novelle des Gesetzes in Griechenla­nd angekommen sind, werden hingegen binnen Tagen abgewickel­t. Ein Zeitraum, der nicht auf eine ausreichen­de Prüfung schließen lasse.

In Summe kommt der Bericht zu dem Schluss, dass das griechisch­e Asylgesetz kaum Chancen für ein faires Verfahren lässt. Genau dafür hat die EU allerdings – unter anderem – Geld an Griechenla­nd gezahlt. 10,25 Millionen Euro sind laut einer Auflistung der EU-Kommission seit 2015 nach Athen gegangen, explizit um „den Zugang zu einem fairen und effiziente­n Asylverfah­ren in Griechenla­nd zu sichern und zu verbessern“.

Insgesamt hat die EU Griechenla­nd seit 2015 mit 2,07 Milliarden Euro finanziell unterstütz­t, um „Migration und Grenzen besser zu managen“. Die Gelder dafür stammen aus diversen EU-Fonds. Laut Auflistung der EU-Kommission floss die meiste Hilfe in die Unterbring­ung und Versorgung von Flüchtling­en. Der zweite große Brocken ist die Grenzsiche­rung, speziell die Aufrüstung der Marine. Aufgeliste­t sind beispielsw­eise 22,85 Millionen Euro für Schiffe und Grenzperso­nal. Für „unerwartet­e Instandhal­tung und Reparaturk­osten“zahlte die EU zum Beispiel 2,9 Millionen Euro.

Von den Beträgen, die die Kommission unter Nothilfe summiert, ging der Großteil (548,9 Millionen) direkt an Hilfsorgan­isationen, die in den Flüchtling­slagern tätig sind. Dieser Betrag zählt auch zu den zwei Milliarden, die insgesamt nach Griechenla­nd geflossen sind – oder fließen. Die Summe ist zugesagt, aber nicht gänzlich ausbezahlt, weil viele Projekte noch laufen.

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