Essen ausliefern ersetzt Musik
Ein neuer Fonds soll die Existenz freischaffender Künstler in der Coronakrise sichern. Viele Betroffene suchten sich bereits neue Jobs.
SALZBURG. Silvia Schweinberger ist in Eile. Nicht das Erproben einer Mozart-Symphonie oder eines Beethoven-Streichquartetts steht auf dem Tagesplan der Geigerin, sondern einige Stunden auf dem E-Bike durch die Stadt Salzburg. Die freischaffende Musikerin, die seit 30 Jahren in renommierten Orchestern wie der Camerata Salzburg spielt, liefert 25 Stunden pro Woche Essen in der Stadt Salzburg aus.
Der Entschluss, sich einen zusätzlichen Job zu suchen, fiel Mitte April. „Damals wusste niemand, wie viel Geld wir aus dem Härtefallfonds
erhalten würden. Und mit den Summen, die wir seitdem von der Bundesregierung bekommen haben, kann man in der Stadt Salzburg keine Fixkosten decken“, erzählt die dreifache Mutter.
Für den Botenjob habe sie sich wegen der flexiblen Arbeitszeiten entschieden. „Das ist wichtig, weil meine jüngste Tochter noch in der Schule ist und im Homeschooling betreut werden muss.“
Silvia Schweinberger ist kein Einzelfall. Der Salzburger Bassist Alex Meik, der mit Größen wie Willi Resetarits,
Hans Söllner, Sabina Hank oder Ron Williams zusammenspielt, kommt im Jahr auf rund 80 Konzerte. Seit Mitte Mai arbeitet er als Teilzeitkraft in einem ImbissStüberl. „Ich hatte mein letztes Konzert am 6. März. Eine Woche später kam der Lockdown, von heute auf morgen waren alle Konzerte in meinem Kalender über mehrere Monate abgesagt“, erzählt der Berufsmusiker.
Auf Arbeitslosengeld hat Alex Meik wie viele andere freischaffende Künstler keinen Anspruch. Die Hilfsmaßnahmen der Regierung seien nicht ausreichend gewesen, berichtet er: Im März habe er 1000 Euro Coronasoforthilfe bekommen, danach zwei Monate lang jeweils 630 Euro aus dem Härtefallfonds sowie einen einmaligen „Welcome back“-Bonus von 500 Euro. „Ende April war mir klar, dass ich mich um eine andere Einnahmequelle bemühen muss“, sagt Meik.
Am 12. Juli musiziert der Bassist in der Salzburger Altstadt erstmals seit Anfang März wieder öffentlich. Das Engagement erfolgt im Auftrag der Arkadenkultur, die Salzburger Musiker vor wenigen Wochen ins Leben gerufen haben. Seinen neuen Job in der Gastronomie will er trotzdem weiter machen. Die Auftragslage sei noch zu unsicher.
„Die Lage für die Künstler ist ernst“, sagt Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne). Die Bundesregierung hat deshalb bei der Sozialversicherungsanstalt der Selbstständigen (SVS) einen KünstlerÜberbrückungsfonds
„Mit Fonds decke ich keine Fixkosten.“
S. Schweinberger, Musikerin
eingerichtet, der am Freitag gestartet ist. Rund 15.000 Antragsberechtigte erhalten bis zu 6000 Euro. Der Finanzrahmen beträgt 90 Millionen Euro. Die ersten Auszahlungen sollen bereits kommende Woche erfolgen.
„Die Künstler waren die Ersten, die vom Lockdown betroffen waren, und es wird wohl noch länger bis zu einem Normalbetrieb dauern“, unterstrich Mayer die Notsituation in der Coronakrise. „Wir haben auch die Kritik gehört, dass es zu wenig Unterstützung, und wenn, dann diese nicht schnell genug gibt. Darauf haben wir reagiert.“
Mittels Onlineformular kann unter www.svs.at um den Überbrückungsfonds angesucht werden, per eidesstattlicher Erklärung geben die Kunstschaffenden dabei ihre wirtschaftliche Notsituation an.
Mayer kündigte außerdem die zweite Phase der Coronahilfe im Rahmen des Künstlersozialversicherungsfonds an. Ab 10. Juli können Anträge gestellt werden, möglich sind Einmalzahlungen von bis zu 3000 Euro. Bisher wurden auf diesem Weg knapp zwei Millionen Euro ausgeschüttet, dotiert ist der Fonds mit insgesamt fünf Millionen Euro.
Alex Meik fand in der Coronakrise immerhin zu neuer Kreativität. „Ich schreibe selten Musiktexte. Aber Ende April komponierte ich den Song ,nimma long‘. Er trifft die Situation ziemlich gut.“