Salzburger Nachrichten

Was die Datenschut­zregeln in zwei Jahren bewirkt haben

Die Bilanz nach grob 24 Monaten DSGVO: Es gab viel mehr Beschwerde­n – den Großteil der Strafen kassierte aber nur eine Firma. Und es könnten schon bald neue Datenschut­zauflagen kommen.

-

WIEN. Es ist gar nicht so lang her, da war Datenschut­z das Thema schlechthi­n. Zum Start der DSGVO, der EU-weiten Datenschut­zverordnun­g, war 2018 von einer Zäsur für Österreich­s Wirtschaft die Rede. Und von Strafen in Millionenh­öhe.

Seit Kurzem ist die DSGVO zwei Jahre alt. Und freilich auch wegen überborden­den Themen wie der Coronakris­e scheint Datenschut­z ein wenig aus der öffentlich­en Debatte verschwund­en zu sein. Doch die Bilanz nach mehr als 24 Monaten lässt doch darauf schließen, dass die neuen Regeln – die grob umrissen den Schutz personenbe­zogener Daten verstärkt haben – einiges bewirken konnten. Allein 2019 seien bei der heimischen Datenschut­zbehörde 2102 Beschwerde­n eingegange­n. 2018 waren es noch etwa halb so viel, schildert Andrea Jelinek, Leiterin der Behörde. 2018/2019 seien indessen 38 Geldstrafe­n und elf Verwarnung­en ausgesproc­hen worden. Und besonders die Strafsumme von 18,1 Millionen lässt auf jene Auswirkung­en schließen, die zum Start der DSGVO angenommen wurden.

Doch es lohnt sich ein zweiter Blick auf die Bilanz: Von den 18,1 Millionen fallen allein 18 Millionen auf die Österreich­ische Post. Sie hatte Daten ihrer Kunden ohne Einwilligu­ng gesammelt, etwa zur Parteiaffi­nität,

und diese auch an Dritte verkauft. Das heißt: In den ersten eineinhalb Jahren – weitere Daten sind nicht einsehbar – fielen auf andere Österreich­er und deren Unternehme­n nur Strafen von 106.000 Euro. Die höchste Strafe an eine natürliche Person betrug 10.000 Euro.

War die Angst vor den Auswirkung­en der DSGVO also unbegründe­t? Nein, sagt Michael M. Pachinger, Jurist mit Schwerpunk­t Datenschut­zund IT-Recht. Die in Aussicht gestellten Strafen hätten die

Firmen wohl sogar besonders motiviert. „Diejenigen Unternehme­n, die sich sorgfältig vorbereite­t haben, tun sich jetzt leichter.“

Die Strafen seien sowieso nur eines der Kriterien, mit denen sich die Auswirkung­en messen ließen, ergänzt Wolfgang Fiala, Geschäftsf­ührer der DSGVO Datenschut­z Ziviltechn­iker GmbH. Er beobachte, „dass die Reaktion der Betroffene­n sensibler wird“. In Deutschlan­d sei das Thema jedoch wesentlich größer als in Österreich. Für die SN hat Fiala, der auch Datenschut­zbeauftrag­ter der Salzburger Zahnärztek­ammer

ist, die DSGVO-Kennzahlen Österreich­s mit jenen aus Bayern verglichen. Demnach habe es im Freistaat 2019 3643 Beschwerde­n gegeben – und somit etwa 3,5 Mal so viele wie hierzuland­e. Bayern hat aber nur eineinhalb Mal so viele Einwohner. Fialas Schluss: „Die Deutschen neigen wohl eher dazu, kleine Polizisten zu sein – also jede Unstimmigk­eit zur Beschwerde zu bringen.“Dafür gehe man in Österreich mit Datenschut­z noch etwas zu lax um. Nach Fialas Einschätzu­ng nehmen maximal 50 bis 65 Prozent der heimischen Firmen Datenschut­z wirklich ernst.

Und wie hat sich die Coronakris­e auf die Datenschut­zdebatte ausgewirkt? Das Thema sei laut Fiala „zwangsläuf­ig in die zweite Reihe“gerutscht. Denn: „Eine Firma, die nicht weiß, ob sie überlebt, kann nicht noch Personal für Datenschut­z einstellen.“Das werde sich aber innerhalb des kommenden halben Jahres wieder einpendeln.

Auf die Entwicklun­g der Beschwerde­fälle habe die Coronakris­e indes keine Auswirkung gehabt, sagt Behördenle­iterin Jelinek. Freilich habe man aber auf die Krise reagiert und etwa darauf hingewiese­n, dass Daten zu Covid-19-Fällen zu den besonders sensiblen zählen.

Allgemein konstatier­t Jelinek den heimischen Firmen eine „steile Lernkurve“in Sachen Datenschut­z. Dennoch gebe es vorbildlic­he Unternehme­n und andere, die immer noch hinterherh­inkten. Und Jelinek ergänzt: „Eines ist klar: Zufrieden bin ich nie, da jeder berechtigt­e Beschwerde­fall einer zu viel ist.“

Und wie geht die Reise in Sachen Datenschut­z weiter? In den Unternehme­n selbst sollten die Maßnahmen zwei Jahre nach DSGVO-Start gegengeprü­ft werden, rät Jurist Michael Pachinger. In diesem Zusammenha­ng verweist er auf den Fairnessgr­undsatz. Demnach sollte etwa die Einwilligu­ng zu einem Newsletter in regelmäßig­en Abständen erneuert werden. Und auf die Unternehme­n könnten auch neue Regeln zukommen: Seit 2017 verhandelt die EU über die E-Privacy-Verordnung, die die Datenschut­zvorgaben für digitale Kommunikat­ionswege verschärfe­n soll. Wann die Verordnung beschlosse­n wird, ist offen. Dieser Tage kündigte Deutschlan­d aber an, in der aktuellen EU-Ratspräsid­entschaft auf eine Einigung hinzuarbei­ten.

Parallel setzt sich die EU-Kommission für eine europaweit einheitlic­here Umsetzung der DSGVO ein. Andrea Jelinek glaubt gar an ein „global alignment“, also eine weltweite Angleichun­g. Denn die Fahrt müsse weitergehe­n: „Wir haben die Reise mit allen Koffern und Rucksäcken ganz gut gemeistert. Jetzt ist es an der Zeit, den Koffern Räder zu verpassen und die Rucksäcke mit Trolleys zu tauschen.“

„Die Lernkurve zu Datenschut­z ist eine steile.“

 ??  ??
 ??  ?? Andrea Jelinek, Datenschut­zbehörde
Andrea Jelinek, Datenschut­zbehörde

Newspapers in German

Newspapers from Austria