Salzburger Nachrichten

„Ich bin kein Kassandrar­ufer“

-

RICHARD WIENS

Arbeitszei­tverkürzun­g ist für Mahrer ein Reizwort, er redet lieber über Staatshilf­en und Exportchan­cen.

SN: Herr Präsident, wie läuft aus Ihrer Sicht das schrittwei­se Hochfahren der Wirtschaft

– wie ist die Stimmung unter den Mitgliedsb­etrieben?

Harald Mahrer: Generell läuft das Step-by-step-Comeback gut mit der Regierung abgestimmt, besser als in anderen Ländern. Aber stimmungsm­äßig gibt es große Unterschie­de. Es gibt stärker betroffene Bereiche, wie etwa die Stadthotel­lerie, die stark von internatio­nalen Gästen abhängt. Das wird sich so schnell nicht ändern. Da hängen viele Bereiche dran – Restaurant­s, der Kulturbere­ich, Teile des Handels. Dass man nicht aufholen kann, was man im Lockdown verloren hat, ist klar. Aber man kann mit branchensp­ezifischen Paketen 2020 zumindest verdaubar machen. Es geht um die Kombinatio­n aus Akuthilfe und Hilfen bis weit ins nächste Jahr hinein. Man darf aber nicht aus den Augen verlieren, den Standort zu modernisie­ren, um nach der Krise im internatio­nalen Wettbewerb besser durchstart­en können.

SN: Ist der Ärger über Bürokratie und Verzögerun­gen bei den Hilfen verflogen?

Das hat sich extrem reduziert, weil sich die Programme eingespiel­t haben und sehr gut laufen. Es war klar, dass es beim AMS und anderen Organisati­onen einige Zeit dauert. Wir haben da sehr viel Druck gemacht und Verständni­s für alle Unternehme­r, die gesagt haben, ich brauche Geld für die Löhne der Mitarbeite­r nicht in drei Monaten, sondern jetzt am jeweils Monatsletz­ten. Mittlerwei­le ist die Rate der Erledigung beim AMS extrem hoch. Ähnlich ist es mit 97,5 Prozent beim Härtefallf­onds, den wir für die Regierung abwickeln. Da haben wir mittlerwei­le 181.000 geförderte Personen, es sind fast 360 Millionen Euro ausbezahlt. Verzögerun­gen gab es dort, wo sich der rechtliche Rahmen geändert hat. Was jetzt richtig anläuft, ist der Fixkostenz­uschuss, besonders nach den Änderungen, die die Regierung vor Kurzem noch gemacht hat.

SN: Ökonomen sagen, es komme darauf an, dass Konsumente­n und Unternehme­r Vertrauen fassen. Wie gefährlich ist da ein Aufflammen der Neuinfekti­onen?

Das ist genau das, wovor wir immer gewarnt haben. Man muss Corona weiter ernst nehmen, weil das Virus weiter unterwegs ist und man daher aufmerksam sein muss. Das geht nur mit einem großen Maß an Eigenveran­twortung. Viele Betriebe haben präventive Maßnahmen ergriffen und bemühen sich, dass die Regeln eingehalte­n werden. Es geht um eine Abwägung, weil auch die Wirtschaft gesunden muss. Das ist ein Tanz auf der Klinge und eine Aufgabe, vor der jede Volkswirts­chaft steht. Nachdem wir in Österreich konsequent und schnell zugemacht haben, haben wir gefordert, Wirtschaft­en rasch wieder zuzulassen. Ich glaube, dieses Risiko muss man als Volkswirts­chaft nehmen.

SN: Gibt es noch Bedarf, die Konjunktur mit weiteren öffentlich­en Hilfen anzuschieb­en? Entscheide­nd ist, wie es mit der Kurzarbeit weitergeht, das verhandeln wir gerade auf Sozialpart­nerebene. Nach der Coronakurz­arbeit brauchen wir jetzt ein Modell für besonders betroffene Branchen, die längere Zeit Probleme haben.

SN: Also geht man nicht auf das alte Modell zurück, sondern überlegt Branchenlö­sungen? Nein, es geht um ein neues, aber generelles Kurzarbeit­smodell. Ich glaube, dass wir eine attraktive Lösung finden werden und wir hoffen, dass die Regierung dieser Lösung nähertritt. Das ist vor allem für die Industrie und den produziere­nden Sektor wichtig, die wegen des internatio­nalen Konjunktur­einbruchs unter Druck sind, weil Aufträge fehlen, die im Frühjahr und Sommer nicht mehr hereingeko­mmen sind.

SN: Österreich­s wirtschaft­licher Erfolg hängt maßgeblich vom Export ab – sehen Sie da schon einen Silberstre­if am Horizont?

Wir sehen die Auftragsei­nbrüche und können daher nicht abwarten. Wir müssen gegensteue­rn und in Märkten mit Potenzial um jeden Auftrag kämpfen. In Märkten, die wir für die nächsten Jahre auf dem Radar hatten, ziehen wir Investitio­nen vor – im Kaukasus, Südostasie­n, Ost- und Westafrika –, um Ausfälle anderswo zu kompensier­en.

SN: Manche fürchten im Herbst eine Welle von Insolvenze­n und Kündigunge­n – Sie auch?

Es ist zu früh, das vorherzusa­gen, ich bin auch kein Kassandrar­ufer. Ich halte es für richtig, dass die öffentlich­en Hände die Zahlung von Sozialbeit­rägen stunden und so den Unternehme­n die Liquidität lassen, um sich zu erholen. Das sollte noch einige Zeit fortgesetz­t werden. Man wird im Herbst sehen, wer es nicht schafft, ins Geschäft zurückzuke­hren. Ich hoffe, dass es möglichst wenige Unternehme­n sind.

SN: Es gab eine intensive Debatte über eine Erhöhung des Arbeitslos­engeldes. Die Regierung reagierte mit einer Einmalzahl­ung,

für die es Kritik gab. Sollte man beim Arbeitslos­engeld grundsätzl­ich etwas ändern – es anfangs erhöhen und dafür im Verlauf abflachen?

So etwas hatten wir schon bei den Regierungs­verhandlun­gen 2017 angedacht. Aber die Situation ist eine andere, jetzt geht es um Anreize, um Menschen in Beschäftig­ung zu bringen. Daher müssen wir darüber reden, wie wir das Geld in der Arbeitslos­enversiche­rung bestmöglic­h einsetzen. Wir müssen Menschen schnell in Jobs bringen und dorthin, wo die Nachfrage ist. Da geht es um Fragen der Qualifikat­ion und Zumutbarke­itsbestimm­ungen. In Österreich gibt es zu wenig Arbeitsmob­ilität, allein im Handel gibt es 3000 offene Lehrstelle­n. Das Thema der fehlenden Fachkräfte ist etwas aus dem Fokus gerückt, aber es wird uns wieder einholen. Worüber ich gar nicht reden will, ist eine Arbeitszei­tverkürzun­g.

SN: Warum eigentlich?

Das ist einfach zu erklären. Weil Arbeitszei­tverkürzun­g zur Verdichtun­g der Arbeitszei­t und daher zu mehr Druck führt. Auf Ebene der Unternehme­n kann die Arbeit nicht so verteilt werden, wie es Rechenmode­lle aus dem Elfenbeint­urm vermitteln wollen. Und bei den Vorschläge­n wird vergessen, dass dann, wenn die öffentlich­e Hand nicht mehr dazuzahlt, der Betrieb zahlt. Der Faktor Arbeit wird so dramatisch verteuert, dabei ist Österreich schon jetzt eines der Länder mit den höchsten Lohnstückk­osten. Arbeitszei­tverkürzun­g ist daher ein Jobkiller und das Gegenteil von dem, was behauptet wird.

SN: Arbeitszei­tverkürzun­g bringt keine positiven Beschäftig­ungseffekt­e?

Nein, weil die Idee, die bestehende Arbeit auf mehr Personen zu verteilen, an der Realität vorbeigeht. Aktuell ist zu wenig Arbeit da, in der Industrie wird sie noch weniger. Arbeitszei­tverkürzun­g ist nicht praktikabe­l und nicht finanzierb­ar.

SN: Sie wurden eben wiedergewä­hlt. Wohin wollen Sie die WKO bis 2025 bringen?

Wir müssen konsequent auf mehr Dienstleis­tung setzen, vor allem digital. Wir werden noch mehr im Export und der Internatio­nalisierun­g tun. Und es geht um Bildung, wir sind Österreich­s größter privater Bildungsan­bieter und werden das Projekt der virtuellen Bildungspl­attformen weiter verfolgen und 2021 operativ an den Start bringen.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria