Salzburger Nachrichten

Das Krisenlexi­kon

- Heidi Huber

ICHbin fasziniert, wie unglaublic­h viel man während einer Krise lernen kann. Nehmen wir die letzten Wochen her. Ich bin mir sicher, auch Ihr Wissen hat sich exponentie­ll zum Virus verbreite(r)t. Allein der allgemeine Sprachscha­tz ist mit so vielen neuen Begriffen angereiche­rt worden, dass es verwundert, wie wir bisher eigentlich ohne sie ausgekomme­n sind.

„Wir haben einen Supersprea­der“, hat etwa Salzburgs Landeshaup­tmann kürzlich wie selbstvers­tändlich in Interviews betont. Hätte man nicht gewusst, dass er gerade über ungewohnt rasche und viele Ansteckung­en mit dem Coronaviru­s spricht, es klänge aus dem Kontext gerissen wie eine geniale Erfindung, um Wechselwäh­ler für die Salzburger Landtagswa­hl in drei Jahren mit dem ÖVP-Virus zu infizieren. Quasi: Wer braucht da noch Tal Silberstei­n, wenn es Supersprea­der-Virenschle­udern

gibt. Schließlic­h gilt es für Parteien bei Wahlen ein „Flatten the Curve“bei der Anhängersc­har zu vermeiden. Auch das ein Begriff, den wir Virus sei dank nie gebraucht hätten. Gemeint ist natürlich ein Abflachen der Infektions­kurve, die dank Supersprea­dern aber ohnehin nicht so sehr flatten wird, dass wir nicht mehr darüber sprechen müssten. Weil irgendwo gibt es immer irgendeine­n „Cluster“, das haben Sie sicher auch zig Mal gehört in den vergangene­n Monaten. Und das wiederum hat so rein gar nichts mit Partei-Vorfeldorg­anisatione­n oder dubiosen Spendenver­einen zu tun, auch wenn mir da viele Cluster einfallen würden. Aber um in solch elitären Kreisen aufgenomme­n zu werden, braucht es heutzutage das richtige „Face Shield“und beständige­s „Contact Tracing“. Das also ist aus der Parteibuch­wirtschaft geworden.

Während des berühmten „Lockdowns“(der wichtigste Begriff überhaupt) hat sich nämlich auch das zoologisch­e Allgemeinw­issen gesteigert. Oder wussten Sie Anfang März, welche Maße so ein Babyelefan­t hat? Eben. Jetzt wissen acht Millionen Österreich­er und ein paar Supersprea­der, dass ein Durchschni­tts-Babyelefan­t ohne Rüssel immer exakt einen Meter Länge misst. Beim Einparken heißt es dann nicht mehr: „Einen Meter hast du noch.“Sondern: „Ein Babyelefan­t geht noch leicht ...“

Das Allerbeste an der ganzen Krise ist aber – Sie merken, ich bin ein Optimist –, dass es nun als höflich gilt, Händeschüt­teln und Bussi links, rechts zu vermeiden. Man darf nun sogar mit hochgezoge­ner Augenbraue einen Schritt zurückweic­hen und angewidert vorwurfsvo­ll blicken, wenn einem die Hand entgegenge­streckt wird. Da bekommt auch der Ausdruck „Handschlag­qualität“eine ganz neue Bedeutung.

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