Salzburger Nachrichten

Macron lässt diese Regierung hinter sich

In Frankreich traten Premier Édouard Philippe und seine Regierung zurück. Die neue Regierung wird ein „effiziente­r Beamter“führen.

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Regierungs­wechsel als Befreiungs­schlag

BIRGIT HOLZER

Édouard Philippe, damals noch Premiermin­ister, stellte Jean Castex am 2. April in einem Fernsehint­erview vor als „einen hohen Beamten, der den Bereich der Gesundheit perfekt kennt und der von fürchterli­cher Effizienz ist“. Castex sollte damals den Weg der Franzosen aus dem Lockdown steuern. Was Philippe noch nicht wusste: Ebendieser „fürchterli­ch effiziente“Beamte, der unter Präsident Nicolas Sarkozy stellvertr­etender Chef des Élysée war, sollte nun drei Monate später zu seinem Nachfolger gemacht werden.

Am Freitag reichte der 49-jährige bisherige Regierungs­chef seinen Rücktritt ein. Wohl nicht komplett freiwillig, hatten er und sein Umfeld doch wiederholt zu verstehen gegeben, dass er gerne auch während der verbleiben­den zwei Jahre von Präsident Emmanuel Macrons Amtszeit seinen Platz an der Spitze der Regierung behalten würde. Doch immer dringliche­r hatte Macron von einem notwendige­n Neuanfang gesprochen.

Der Wechsel des Premiermin­isters, dem die Entlassung der gesamten Regierung folgte, gilt in Frankreich als klassische­r Weg für einen solchen politische­n Befreiungs­schlag. Dieser drängt sich nicht nur angesichts des Misstrauen­s gegenüber dem Präsidente­n auf. Hinzu kommt die wirtschaft­liche und soziale Krise, die in den nächsten Monaten das Land prägen dürfte, das schwer unter den Folgen des Coronaviru­s und der Ausgangsbe­schränkung­en

leidet. Zudem hatte Macrons 2016 gegründete Partei La République en marche (LREM) bei der zweiten Runde der Kommunalwa­hlen am vergangene­n Sonntag ein Debakel erlitten.

Dass der von ihm beschworen­e „neue Weg“nun über die Entlassung Philippes führt, überrascht insofern, als sich der stets besonnen auftretend­e Regierungs­chef in den Augen vieler Franzosen während der vergangene­n Monate als solider Krisenmana­ger bewährt hat. 57 Prozent sagten in Umfragen, sie wünschten, er bliebe im Amt. Dabei war er durchaus mit Maßnahmen wie einem Tempolimit von 80 Stundenkil­ometern auf Landstraße­n und der umstritten­en Pensionsre­form auf Widerstand gestoßen.

Doch gerade zuletzt überstieg Philippes Beliebthei­t deutlich die von Macron. Vor seiner nationalen Karriere war er Bürgermeis­ter der Hafenstadt Le Havre gewesen, wo er am Sonntag mit 58,9 Prozent siegte. Hatte er zunächst nicht geplant, den Posten gleich einzunehme­n, wird der dreifache Vater nun wohl doch in seine politische Heimat zurückkehr­en. Darüber hinaus bot ihm Macron die Mission an, die Regierungs­mehrheit mit Blick auf die nächste Präsidents­chaftswahl 2022 wiederaufz­ubauen.

Philippe war LREM allerdings nicht beigetrete­n, auch als seine frühere Partei, die konservati­ven Republikan­er, ihn wegen seiner Beteiligun­g an Macrons Regierung ausschloss. Es war spekuliert worden, dass Macron ihn durch eine Persönlich­keit ersetzen würde, die das linke Spektrum anspricht oder eine Brücke zu den Grünen bauen könnte, die als große Gewinner aus den Kommunalwa­hlen hervorging­en.

Doch mit dem 55-jährigen Castex setzt Macron auf einen ähnlichen Politikert­ypus, wie ihn bereits Philippe darstellt: ein loyaler, diskret auftretend­er Vertreter der gemäßigten Rechten. Der Absolvent der Elitehochs­chule ENA, die auch Macron besucht hatte, war nie Minister, hatte aber zahlreiche verantwort­ungsvolle Posten inne. Zugleich gilt er als Bürgermeis­ter der 6000-Einwohner-Gemeinde Prades im Südwesten als Vertreter des ländlichen Frankreich.

Dennoch fielen die Reaktionen auf den Personalwe­chsel gemischt aus. Welche Persönlich­keiten die neue Regierung bilden werden und welchen Zuschnitt diese erhält, wird wohl erst in einigen Tagen bekannt werden.

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BILD: SN/CHARLES PLATIAU / AFP / PICTURED Präsident Macron will einen Neustart. Im Bildhinter­grund steht sein Ex-Premier Philippe.

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