Bundesheer bekommt keine neuen Abfangjäger
Die umstrittenen Eurofighter bleiben weiterhin im Einsatz. Gleichzeitig will Verteidigungsministerin Klaudia Tanner aus dem Eurofighter-Vertrag heraus. Ein kurioses Kapitel in der Eurofighter-Causa.
Die Entscheidung über die langfristige Zukunft der Eurofighter ist einmal mehr verschoben worden. Das Bundesheer soll weiterhin mit den Eurofightern die aktive Luftraumüberwachung bestreiten. Das verkündete Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) bei einem Gespräch mit den Wehrsprechern der Parlamentsparteien. Damit übernehmen die 15 Eurofighter ab 2021 die komplette Luftraumüberwachung. Denn die veralteten Saab 105 werden ausgemustert. Im Gegenzug werden die Eurofighter allerdings auch nicht aufgerüstet.
Denn die Republik will die Eurofighter eigentlich gar nicht. Im Verteidigungsministerium hofft man, dass Österreich aus dem Vertrag mit dem Eurofighter-Hersteller Airbus aussteigen kann. Dazu wäre ein Urteil gegen Airbus notwendig, derzeit laufen mehrere Ermittlungsverfahren unter anderem wegen Korruptionsverdachts in der Causa. Doch eine Anklage ist in weiter Ferne.
In der militärischen Praxis bedeutet Tanners Schritt, dass die 15 Eurofighter mehr Stunden werden fliegen müssen, um die zwölf Saab 105 zu ersetzen. Das könnte das Aus für den Standort Linz-Hörsching, wo die Saab stationiert sind, bedeuten.
Die Opposition kritisiert die Verteidigungsministerin scharf. SPÖ, Neos und FPÖ warnen davor, dass Österreich seinen Luftraum nicht mehr verfassungsgemäß überwachen könne.
WIEN. Es war eine überraschende Kampfansage in der EurofighterCausa: „Airbus wird mich noch kennenlernen“, verkündete Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) angesichts des langwierigen Streits zwischen der Republik und dem Eurofighter-Hersteller. Das war im Februar. Knapp ein halbes Jahr später ist der Ton im Verteidigungsministerium weniger angriffig. Die Entscheidung über die Zukunft der Eurofighter, die aufgrund technischer Updates schon seit Monaten überfällig ist, wird de facto wieder einmal verschoben. Kurz zusammengefasst: In Sachen Eurofighter bleibt alles beim Alten. Vorerst. Denn das Verteidigungsministerium setzt auf die Korruptionsermittlungsverfahren gegen Eurofighter und in weiterer Folge auf einen möglichen Vertragsausstieg. In einer schriftlichen Erklärung des Verteidigungsministeriums heißt es: „Das Verfahren gegen Eurofighter wird mit größtem Nachdruck weiterverfolgt.“Die Republik werde weiterhin alle Rechtsmittel ausschöpfen, um den Eurofighter-Vertrag rückabzuwickeln und entschädigt zu werden.
Doch das ist nicht so einfach. Denn die Strafverfahren gegen rund 60 Beschuldigte sind derzeit noch ergebnislos. Zur Erinnerung: Die erste Strafanzeige in der Causa wurde schon im Jahr 2002 eingebracht. Nach jahrelangem Personalmangel und justizinternen Streitereien liegt das Verfahren nun bei einem Sonderteam der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Zuletzt wurden sogar zwei Verfahren eingestellt. Eines gegen den ehemaligen SPÖ-Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) wegen Untreueverdachts und die Betrugsanzeige
von Hans Peter Doskozil, ebenfalls ehemaliger SPÖ-Verteidigungsminister.
Zusammenfassend ist laut Verteidigungsministerium davon auszugehen, dass im Rahmen der Eurofighter-Beschaffung seit dem Jahr 2002 und beim Vergleich 2007 Korruption und Täuschung seitens des Eurofighter-Herstellers gegenüber der Republik stattgefunden hat. Außerdem hat sich die Republik Österreich am Strafverfahren beteiligt, um die zivilrechtlichen Ansprüche geltend zu machen. Im heurigen Februar
wurde eben bekannt, dass Airbus in einem Gerichtsverfahren in den USA erstmals zu Protokoll gegeben hat, weltweit unlauteres Verhalten bei der Anbahnung von Geschäften praktiziert zu haben. Dabei wurde auch eingestanden, dass es in Österreich mindestens 55 Millionen Euro an politischen Zuwendungen gegeben hat. Im Mai brachte die Republik deshalb nochmals eine Anzeige ein. Das Verfahren ist mittlerweile zu einer juristischen Mammutaufgabe angewachsen mit rund 70 Aktenkartons und rund 50 Terabyte an Daten und Unterlagen.
Vereinfacht gesagt hofft die Republik, dass im Falle einer Anklage und einer möglichen Verurteilung eine Ausstiegsklausel im Kaufvertrag greifen könnte und der Kauf rückabgewickelt werden könnte. Dass das juristische Match zwischen der Republik und dem Eurofighter-Hersteller Airbus langwierig wird, ist klar. Schon im Februar wies der Konzern alle Vorwürfe und Ansprüche Österreichs zurück. Ein Vertragsausstieg ist in weiter Ferne.
Neben dem juristischen Dilemma muss auch das sicherheitspolitische Problem der unzureichenden Luftraumüberwachung gelöst werden. Wie am Montag bekannt wurde, will Tanner dafür weder neue Jets noch neue Ausrüstung für die 15 Eurofighter. Auch die veralteten Trainingsjets Saab 105 sollen ausgemustert werden.
Dass die Saab überraschenderweise völlig ersatzlos ausscheiden, argumentiert man im Ministerium damit, dass die meisten Länder ein Ein-Flotten-System hätten. Überraschend ist dabei, dass die Eurofighter im Gegenzug eben nicht aufgerüstet werden. Argumentiert wird das damit, dass man ja prinzipiell aus dem Eurofighter-Vertrag aussteigen wolle. Der österreichische Luftraum wird also weiterhin mit 15 Jets überwacht, die die Republik gar nicht haben will und die nicht ausreichend ausgerüstet sind.
Bei der Opposition sorgt das für Empörung. „Das Bundesheer ist mit diesen Jets weit weg davon, die verfassungsmäßigen Aufgaben zu gewährleisten“, erklärte Neos-Wehrsprecher Douglas Hoyos. „Verteidigungsministerin Tanner hat einfach eine notwendige Entscheidung verzögert.“Der FPÖ-Abgeordnete Reinhard Bösch warnt: „Dieser Schritt bedeutet, dass wir uns absolut abhängig machen von einem Konzern, mit dem die Republik in einer juristischen Auseinandersetzung steht. Deren Ausgang ist absolut nicht absehbar.“SPÖ-Wehrsprecher Robert Laimer merkt zudem an, dass „Tanner damit auch die Souveränität Österreichs infrage stellt“. Der grüne Koalitionspartner (die Grünen waren immer gegen die Eurofighter) ist in einer nicht ganz einfachen Position und will bis 2021 eine Lösung am Tisch haben: „Wir wollen die kosteneffizienteste Lösung. Bis nach dem Sommer sehen wir uns die verschiedenen Rechnungen an“, sagt der grüne Wehrsprecher David Stögmüller.
Auf den Gängen des Verteidigungsministeriums wird hinter vorgehaltener Hand der wahre Grund für die Entscheidung der türkisgrünen Regierung diskutiert: Es fehlt schlicht das Geld für die Anschaffung neuer Jets. Doch die Rechnung ist nicht so einfach, denn die Überwachung des österreichischen Luftraums mit Eurofightern wird die Kosten wohl ebenfalls ansteigen lassen. Mit gut 30.000 Euro pro Flugstunde ist der Betrieb der Eurofighter um ein Vielfaches teurer als jener der Saab, die auf rund 3000 Euro pro Flugstunde kommen.
Neben den Anschaffungskosten fürchtet man außerdem ein aufwendiges Ausschreibungsverfahren. „Selbst wenn jetzt ein Beschaffungsvorgang eingeleitet wird, würden die neuen Flugzeuge Anfang 2021 noch nicht bereitstehen“, heißt es aus dem Verteidigungsministerium. Deshalb bleibe man beim Status quo in Sachen Eurofighter. Vorerst natürlich.