Salzburger Nachrichten

Mordopfer aus Tschetsche­nien ahnte Schlimmes

Über zwei Landsleute wurde Untersuchu­ngshaft verhängt – ein Zeuge wurde zum Verdächtig­en.

- Gs

Die Polizei in Österreich steht bei der Aufklärung der Bluttat an einem 43 Jahre alten Tschetsche­nen vor einer Mauer des Schweigens. Wie berichtet, war Mamichan U. am Samstagabe­nd in Gerasdorf (Bezirk Korneuburg) am nördlichen Stadtrand von Wien bei der Einfahrt zu einer Baufirma auf der Straße erschossen worden. Jene beiden Landsleute des Opfers, über die als Verdächtig­e am Montag am Landesgeri­cht Korneuburg die Untersuchu­ngshaft verhängt wurde, machten zunächst bei der Polizei keine näheren Angaben.

Wie berichtet, wurde Stunden nach der Tat ein 47-Jähriger nach einer Verfolgung­sjagd mit der Polizei in Linz festgenomm­en. Der Mann ist in Ansfelden bei Linz gemeldet, seine Wohnung wurde durchsucht. Der zweite Mann, der sich nun in Gewahrsam befindet, stammt laut Behörden ebenfalls aus der russischen Teilrepubl­ik Tschetsche­nien. Er war mit dem späteren Opfer zum Tatort gekommen und galt zunächst als Zeuge. Doch gegenüber der Polizei soll sich der Mann rasch in solche Widersprüc­he verwickelt haben, dass er festgenomm­en wurde. „Alle drei hielten sich seit Jahren in Österreich auf“, sagte Friedrich Köhl, Sprecher der Staatsanwa­ltschaft Korneuburg.

Die Ermittlung­en über die Hintergrün­de liefen am Montag auf Hochtouren, die Behörden hielten sich sehr bedeckt. Die Untersuchu­ng

leitet das Landesamt für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g, die Exekutive vermutet also einen politische­n Hintergrun­d.

Die Polizei in Niederöste­rreich betonte, für die Exekutive sei das Motiv noch keineswegs geklärt. Doch es deute vieles darauf hin, dass der Tschetsche­ne im Auftrag des tschetsche­nischen Präsidente­n Ramsan Kadyrow getötet wurde. Neben einem politische­n Motiv könnte auch persönlich­e Rache infrage kommen. Das spätere Opfer hatte in den vergangene­n Monaten auf einem YouTube-Kanal in zahlreiche­n Videos das Regime Kadyrow verurteilt, aber auch dessen Familie massiv beleidigt.

Das Opfer dürfte jedenfalls gewusst haben, dass es in Gefahr ist. Der 43-Jährige hatte sich in Martin B. umbenannt und sich Mitte Juni eine kugelsiche­re Weste besorgen wollen, wie ein ukrainisch­er Ex-Politiker der APA sagte. Das Wohnhaus von B. war zuletzt polizeilic­h bewacht worden, persönlich­en Schutz hatte der Mann abgelehnt.

Am Montag wurde bekannt, dass Mamichan U. alias Martin B. mehrfach vorbestraf­t war. Der Ex-Polizist war 2005 nach Österreich gekommen und hatte 2007 Asyl erhalten. Er wurde unter anderem wegen Schleppere­i, Vortäuschu­ng einer mit Strafe bedrohten Handlung und falscher Zeugenauss­age verurteilt. Zuletzt hatte er bis Anfang September 2019 eine Haft verbüßt.

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BILD: SN/AP Der Tatort in Gerasdorf bei Wien wurde von der Polizei abgesperrt.

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