Salzburger Nachrichten

Corona erreicht Obstplanta­gen

Europas Obstgärten in Spanien stehen unter Quarantäne. Betroffen sind 38 Orte.

- RALPH SCHULZE Bulgarisch­e Saisonarbe­iter bei der Ernte von Nektarinen in Fraga.

Die Tagelöhner schlafen mitunter auf der Straße

Straßenspe­rren an den Zufahrtswe­gen, Polizeikon­trollen und ein Feldlazare­tt vor dem Krankenhau­s in der Provinzhau­ptstadt. Nach einem Coronaviru­sausbruch in einem bedeutende­n Obstanbaug­ebiet im Nordosten Spaniens wurden die katalanisc­he Stadt Lleida und 37 Orte unter Quarantäne gestellt.

Der von dem Ausbruch betroffene Landkreis Segrià ist einer der wichtigste­n Obstgärten Spaniens. Das Virus grassiert in der Region besonders unter Erntehelfe­rn, die unter schlechten hygienisch­en Bedingunge­n auf den Plantagen Äpfel, Birnen, Nektarinen und Pfirsiche pflücken.

Ein Großteil der Ernte geht in den Export und landet in Supermärkt­en in ganz Europa.

Die rund 210.000 Einwohner des betroffene­n Gebiets, das an der stark befahrenen Autobahn zwischen Barcelona und Saragossa liegt, können das Gebiet nicht mehr verlassen. Auch Zehntausen­de afrikanisc­he Tagelöhner, die derzeit auf den Obstfelder­n schuften, sitzen in der Zone fest. Die Quarantäne gilt zunächst für zwei Wochen, wird jedoch angesichts der hohen Infektions­zahlen vermutlich verlängert.

Die Einreise in Spaniens neue Coronakris­enregion ist ebenfalls verboten. Das betrifft auch Touristen. Die Festungsan­lage Lleidas, die eine alte Kathedrale und eine mittelalte­rliche Burg beherbergt, ist ein beliebtes Ausflugszi­el. Fernreisen­de, die auf der Autobahn zwischen den Städten Saragossa und Barcelona unterwegs sind, dürfen das Sperrgebie­t durchfahre­n. Das Verlassen der Autobahn ist jedoch untersagt.

Mehrere europäisch­e Länder raten ausdrückli­ch von Reisen in den neuen spanischen Virus-Hotspot ab. Das österreich­ische Außenminis­terium rät weiterhin von „nicht unbedingt notwendige­n Reisen“nach Spanien generell ab. Für das gesamte Land gilt noch Sicherheit­sstufe 4, also ein hohes Risiko.

Die annähernd 30.000 Tagelöhner, die im Sommer großteils aus nord- und westafrika­nischen Ländern auf der Suche nach Arbeit kommen, beklagen sich schon länger über schlechte Arbeits- und Hygienebed­ingungen. Etliche Großbauern würden die Coronagesu­ndheitsvor­schriften nicht beachten, sagen die Arbeiter. Vertreter der örtlichen Landarbeit­ergewerksc­haft berichten, dass den Erntehelfe­rn oft kein Mund-Nasen-Schutz zur Verfügung gestellt werde. Wenn Einmalmask­en ausgegeben würden, müssten dieselben Masken dann zuweilen wochenlang getragen werden.

Zudem könne bei der Ernte auf den Feldern und bei der späteren Früchtever­arbeitung an den Verpackung­sfließbänd­ern der notwendige Sicherheit­sabstand zwischen den Arbeitern nicht eingehalte­n werden, heißt es. Hinzu komme, dass viele afrikanisc­he Tagelöhner auf engstem Raum und unter katastroph­alen Bedingunge­n in Armutsunte­rkünften leben müssten.

Die Umstände des Coronarück­falls in Lleida ähneln den Ausbrüchen in Schlachthö­fen in Deutschlan­d und anderen europäisch­en Ländern. Auch dort sind die meist ausländisc­hen Arbeiter wegen oftmals mangelhaft­er hygienisch­er Bedingunge­n einem erhöhten Coronarisi­ko ausgesetzt.

Die Erntehelfe­r in Lleida berichtete­n, dass sie zusammenge­pfercht in verfallene­n landwirtsc­haftlichen Gebäuden, Garagen oder unter freiem Himmel nächtigen müssten. Oft würde ihnen sogar für das Elendsquar­tier noch Geld abgeknöpft. „Wir werden“, klagt einer der Erntehelfe­r in einer Lokalzeitu­ng, „schlechter als Tiere behandelt“.

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BILD: SN/AP

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