Und jetzt bitte alle fest die Daumen halten
Zum ersten Mal in der Geschichte der Marsmissionen soll ein kleiner Hubschrauber namens „Ingenuity“unter schwierigsten Bedingungen über dem Roten Planeten schweben. Eine Österreicherin hat an seiner Konstruktion mitgewirkt.
Dieser kleine Hubschrauber, der über staubig rotem Boden schwebt, befindet sich nicht hier auf der Erde, sondern auf dem Mars. Das Bild ist eine Simulation, denn das Fluggerät ist erst auf der Reise zu unserem Nachbarplaneten. Zum ersten Mal soll dort irdische Technik fliegen, was nicht so einfach zu bewerkstelligen ist. Eine Österreicherin hat diesen Helikopter mitentwickelt.
SALZBURG. Er ist klein und zierlich und wird dennoch Großes leisten müssen. Als in der vergangenen Woche am 30. Juli eine Atlas-V-Rakete vom amerikanischen Weltraumbahnhof Cape Canaveral abhob und in Richtung Mars flog, hatte sie nicht nur den Rover „Perseverance“(Ausdauer) an Bord, sondern auch einen Hubschrauber, den eine Österreicherin mitentwickelt hat.
Es ist die fünfte und bis jetzt anspruchsvollste Marsmission der Raumfahrtbehörde NASA: Der Rover hat erstmals in der Geschichte der Erkundung des Mars Behälter zum Einsammeln von Proben an Bord, die für eine spätere Rücksendung zur Erde zunächst auf dem Mars deponiert werden sollen. Zudem wird er mineralogische Analysen machen. Wenn es Spuren von Leben auf dem Nachbarplaneten der Erde gibt, dann könnten sich diese unter der Oberfläche zeigen, denn die starke kosmische Strahlung hat auf der Oberfläche des Mars mit Sicherheit alles Leben ausgelöscht.
Der Hubschrauber mit dem Namen „Ingenuity“(Einfallsreichtum) soll den Rover bei der Arbeit unterstützen und trägt seinen Namen zu Recht. Ohne Einfallsreichtum hätte er nicht konstruiert werden können. Cornelia Altenbuchner, im Innviertel in Oberösterreich geboren, studierte Maschinenbau in Regensburg und begann 2008 bei der NASA zu arbeiten. Seit 2016 forscht sie im Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA in Pasadena, Kalifornien. „Es war eine Herausforderung, einen Hubschrauber zu bauen, der leicht ist und in der dünnen Marsatmosphäre genügend Auftrieb erzeugen kann. In sorgfältigen Entwicklungsschritten und Spezialtests von 2014 bis 2019 haben wir bei JPL gezeigt, dass es möglich ist“, sagt sie. Der halbautonome Minihelikopter, der eigentlich eine 1,8 Kilogramm schwere Drohne ist, wurde in einer Vakuumkammer getestet, die so viel Kohlendioxid enthielt wie die Atmosphäre auf dem Roten Planeten. Die Atmosphäre des Mars ist nur rund ein Prozent so dicht wie die irdische. Um Marsbedingungen zu simulieren, müsste man einen Testflug auf der Erde in etwa 30.500 Metern Höhe durchführen. Dort fliegt allerdings kein Hubschrauber mehr. Zudem musste im Test ein Großteil der Erdschwerkraft entfernt werden. „Ingenuity“wurde mit gegenläufig rotierenden Rotoren ausgestattet, die fast 3000 Umdrehungen pro Minute schaffen. Das sind zehn Mal so viele wie bei einem herkömmlichen Hubschrauber. Das Marsgerät wurde zudem so konstruiert, dass es haargenau in den Rover passt und große Kälte aushält. „Der Marshelikopter ist ein sogenannter Technologiedemonstrator, also ein Projekt, in dem zum ersten Mal versucht wird, eine neue Fähigkeit mit begrenztem Umfang zu testen. In diesem Fall zu zeigen, dass man in der Marsatmosphäre autonom und elektrisch fliegen kann“, sagt Cornelia Altenbuchner. Das Fluggerät soll den Radius des Rovers erweitern und mit einer hochauflösenden Kamera Aufnahmen vom Mars machen. „Die Bilder helfen bei der visuellen Navigation“, erklärt Cornelia Altenbuchner.
Wenn alles gut geht, wird im Februar 2021 „Perseverance“im Jezero Crater landen. Die Landestelle ist ein Einschlagkrater auf dem Mars. Ein altes Flussdelta nahe dem westlichen Kraterrand bezeugt, dass er vor mehr als 3,5 Milliarden Jahren einen See beherbergte. Zahlreiche wasserhaltige Minerale beweisen, dass in ihm für sehr lange Zeit flüssiges Wasser vorhanden gewesen sein muss, was eine der wichtigsten Voraussetzungen für Leben ist. Deshalb wird die Suche nach Spuren von Leben dort beginnen. Seit 2004 fotografiert die vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) betriebene High Resolution Stereo Camera auf der ESA-Mission Mars Express den Mars. Die daraus berechneten digitalen Geländemodelle unterstützen die Auswahl der Landestelle und die Entwicklung der Navigationssysteme zur Landung.
Die Faszination an der Raumfahrt hat Cornelia Altenbuchner nie losgelassen: „Es ist sehr spannend, neue Missionen und Designs erfinden zu dürfen, um neue Welten zu erforschen, die die Menschheit weiterbringen und uns Aufschlüsse über das Leben und unsere Herkunft geben. Neben der Weltraumforschung steht auch die Erforschung der Erde bei der NASA im Vordergrund. Damit erhalten wir Wissen, das uns hilft, unsere Erde besser erhalten zu können.“
Mädchen, die sich für Technik begeistern, rät sie, sich nicht von persönlichen oder gesellschaftlichen Vorurteilen behindern zu lassen: „Es hat gedauert, bis ich meinen eigenen Weg als Ingenieurin geschmiedet habe und ich mich traute, völlig ich selbst zu sein. Einem Mädchen würde ich sagen, du musst nicht so sein wie andere. Geschlecht ist kein Grund, warum du besser oder schlechter in etwas bist.“Positive Vorbilder seien dabei sehr hilfreich.
„Wir haben gezeigt, dass es möglich ist.“Cornelia Altenbuchner, Ingenieurin NASA