Wer bucht noch eine Kreuzfahrt?
Schon vor Corona polarisierte kaum ein touristisches Angebot so sehr wie Kreuzfahrten. Die Rückkehr der schwimmenden Hotels gestaltet sich besonders schwierig. Für Passagiere dürften wohl verpflichtende Tests kommen.
Die Rückkehr der schwimmenden Hotels gestaltet sich besonders schwierig. Für Passagiere dürften wohl verpflichtende Tests kommen.
SALZBURG. Alexander Schulz kann nicht verbergen, dass er zehn Jahre lang in der Entertainmentsparte für die Aida Cruises auf den Weltmeeren unterwegs war. Sein Lächeln ist strahlend, seine Laune blendend, und aus dem Mund des gebürtigen Ostdeutschen sprudeln die Worte nur so heraus. Bis heute habe er trotz Krise nie ans Aufhören gedacht, und wenn es doch einmal so weit kommen würde, „dann machen wir hier einen Eissalon draus“, scherzt er.
Anderen wäre in Coronazeiten längst zum Weinen zumute, wenn sie – so wie Schulz und seine Partnerin Marlene Menapace – ein Reisebüro führen müssten. Eines, das wie der „Heimathafen“in Salzburg noch dazu auf Kreuzfahrten spezialisiert ist. Seit sechs Jahren wird hier verkauft, wovon viele jahrelang geträumt haben: Luxusreisen, Atlantiküberquerungen, Expeditionen, Familienreisen auf dem Meer und Mittelmeerkreuzfahrten.
Die vergangenen Jahre kannte die Branche nur eine Richtung: raus aufs Meer. Auf 317 Kreuzfahrtschiffe ist die weltweite Flotte angewachsen, rund 30 Millionen Passagiere haben im Vorjahr eine Kreuzfahrt gebucht. Das Geschäft mit den schwimmenden Hotels, die bis zu mehrere Tausend Passagiere beherbergen, schien eine nicht enden wollende Erfolgsstory zu sein. Corona bereitete ihr abrupt ein Ende – begleitet von Dramatik. Mit den Bildern der „Diamond Princess“, die im Februar mit 700 Infizierten vor Japan in Quarantäne vor Anker lag, starb wohl in vielen Menschen die Lust auf eine Kreuzfahrt.
„Da wurden wirklich dramatische Bilder transportiert, von der Hotelbettenburg auf Teneriffa gab es die allerdings nie“, kritisiert Schulz, jetzt doch ganz ernst. 280 Reisen habe man seit Beginn der Coronapandemie storniert oder umgebucht. Wenngleich: „Ende März haben Kunden noch eine Weltreise gebucht.“Man habe ein treues und gutes Publikum, betont er. Seit März aber habe man nichts verdient. „Die Provision bekommen wir bei Reiseantritt, nicht bei der Buchung.“
Wie verkauft man überhaupt noch Kreuzfahrten mitten in einer Pandemie, in der jede Art von Menschenansammlung vermieden werden sollte? Die Schiffe würden ihre Belegung freilich drastisch reduzieren, „auf maximal 60 Prozent Auslastung“, erklärt Schulz. Mit bis zu 50 Prozent schreibe ein Kreuzfahrtschiff noch schwarze Zahlen, „dann wird es schwierig“. Entsprechend versuchten die Reedereien, ihre Preise hoch zu halten. „Bei HapagLloyd und Tui Cruises hat der Neustart gut funktioniert“, betont der „Heimathafen“-Chef.
Doch die Rückkehr der Branche wird begleitet von Negativschlagzeilen wie zuletzt den Coronainfektionen auf der „Roald Amundsen“der norwegischen Gesellschaft Hurtigruten. Parallel dazu haben sich am Donnerstag die Sorgen vor einem Coronaausbruch auf einem weiteren Kreuzfahrtschiff in Norwegen nicht bestätigt. Alle 160 Menschen an Bord der „SeaDream 1“wurden negativ getestet.
„Es wird jetzt ganz viel getestet, natürlich werden dann auch mehr Infektionen entdeckt, das ist an
Land in den Hotels nicht anders“, argumentiert Schulz. Die Reedereien hätten jedenfalls erweiterte und strengste Hygienepläne erarbeitet und eingeführt.
So gebe es zwischen den Fahrten nun zusätzliche Reset-Tage für die Generalreinigung der Schiffe, sei zusätzliches medizinisches Personal an Bord, täglich gebe es Fiebermesskontrollen und mobile Coronateststationen zählten zur Ausstattung. Nur die Crews vor der Abfahrt zu testen werde künftig aber nicht mehr reichen: „Es wird wohl auch verpflichtende Coronatests für die Passagiere geben, das wird kommen.“Der Reisebüroverband VUSR sprach sich diese Woche bereits für eine allgemeine Coronatestpflicht auf Kreuzfahrtschiffen aus. Die Kosten sollten von den Gästen selbst getragen werden. „Wer sich eine Kreuzfahrt leisten kann, kann sich auch das leisten“, hieß es.
Derzeit steht nach wie vor der Großteil der weltweiten Flotte still. Zuletzt stoppte die unter italienischer Flagge schippernde Aida Cruises kurzfristig ihre Rückkehrpläne. Ab Mitte August sollen die geplanten Fahrten aber stattfinden. Denn Kreuzfahrtschiffe, die nicht fahren, kosten Geld. Auf der einen Seite entgehen den Häfen Anlegegebühren von 20.000 bis 50.000 Euro pro Nacht. Andererseits müssten auch geparkte Schiffe, so wie Flugzeuge am Boden, regelmäßig bewegt werden, erklärt Schulz. „Jede Klospülung muss alle zwei Wochen gedrückt werden.“
Um Schiffe loszuwerden, würden vor allem die US-amerikanischen Reedereien wie Carnival ihre älteren Modelle nun abwracken. „Das ist für die Branche auch eine Chance.“Eine jüngere Flotte bedeute auch effizientere und „grünere“Antriebe. Die in die Schlagzeilen geratene „Roald Amundsen“gilt als das weltweit erste Kreuzfahrtschiff mit Hybridantrieb. Aida will ab 2021 Brennstoffzellen als emissionsfreien Antrieb testen.
Aktuell ist die Branche aber vom Normalbetrieb noch weit entfernt. So sind auch Landgänge noch kaum möglich. Das fordere die Kreativität, sagt Schulz. In Kopenhagen stiegen die Passagiere jüngst statt aufs Land in 20 Zodiacs für eine Ausflugsfahrt durch die Kanäle. Mit Innovation will man auch im „Heimathafen“durch die Krise kommen. Über eine selbst programmierte Onlineplattform will man Kreuzfahrten künftig auch vermehrt digital erleb- und buchbar machen. „Die Gäste haben ihr Kaufverhalten verändert, da müssen wir mit.“Wie lang man die Krise noch durchsteht, ohne unterzugehen? „Das Worst-Case-Szenario haben wir uns auf Mitte 2021 gesetzt“, antwortet Schulz. „Dann sollten die Leute wieder auf Kreuzfahrt gehen.“Oder, so ergänzt er, „zum Eiskaufen kommen“.
„Es wird mehr getestet. Da wird mehr entdeckt, so wie in den Hotels an Land.“
Alexander Schulz, „Heimathafen“