Blaupause für die Wien-Wahl
Enttäuschte FPÖ-Anhänger spielen eine entscheidende Rolle. Wobei sehr vieles an die Nationalratswahl erinnert.
Natürlich werden Wahlen nicht in Umfragen entschieden. Im Hinblick auf die Wiener Gemeinderatswahl am 11. Oktober müssen sich die dortigen Freiheitlichen aber auf eine Schlappe gefasst machen. Die Ibiza-Affäre hat ihnen zu sehr geschadet, sind die beiden Hauptakteure Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus doch ihre ehemaligen Chefs. Meinungsforschern zufolge könnten sie von 31 auf rund zehn Prozent abstürzen.
Es ist kein Trost für Spitzenkandidat Dominik Nepp und Kollegen, dass die Anhänger, die sich von ihnen abwenden, eine entscheidende Rolle spielen werden bei dieser Wahl. Davon könnte vor allem die ÖVP profitieren, die ihren bisherigen Wahlkampf denn auch darauf ausgerichtet hat: Innenminister Karl Nehammer ist angetreten, das Coronakrisenmanagement der Stadt zu attackieren. Integrationsministerin Susanne Raab ortet regelmäßig Integrationsprobleme. Wobei sich Kritiker der Türkisen fragen, ob diese Angriffe auf Wien klug sein können. Begründung: Das muss die Menschen, die dort leben, abschrecken.
Schaut man genauer hin, ist die ÖVP-Strategie jedoch plausibel. Wie zu fast jedem Urnengang in Österreich hat das Sozialforschungsinstitut SORA auch zur Wiener Gemeinderatswahl 2015 eine Erhebung durchgeführt. Die FPÖ-Wähler tickten demnach folgendermaßen: Sie waren ganz und gar nicht der Meinung, dass die Stadt „sehr lebenswert“ist. Sie waren der Überzeugung, dass sie „viel verloren“hat. Alles in allem ist Wien demnach schlecht dagestanden aus ihrer Sicht. Abgesehen davon gab es für sie damals, im Jahr der großen Flüchtlingskrise, eigentlich nur ein Thema: Asyl und Migration.
Sprich: Angriffe auf die Bundeshauptstadt und vor allem das permanente Behandeln von Integrationsfragen dürften eine wirkungsvolle Methode sein, diese Leute zu ÖVP-Wählern zu machen. Zumindest zu einem beträchtlichen Teil. Bundeskanzler und ÖVP-Obmann Sebastian Kurz hat bei den Nationalratswahlen 2017 und 2019 gezeigt, wie sehr das aufgehen kann. Schließung von Flüchtlingsrouten, Bekämpfung illegaler Migration und andere Ansagen aus seinem Mund haben zu seinem Sieg beigetragen. Allein bei der Wahl vor einem Jahr wechselten mehr als 250.000 Ex-Freiheitliche zur Volkspartei.
So viele werden es in Wien nicht werden. Bei der Gemeinderatswahl 2015 erreichte die FPÖ insgesamt „nur“eine Viertelmillion Stimmen. Das Potenzial, das damit verbunden ist, ist aber eben sehr relativ: Gelingt es der ÖVP mit Kurz’schen Methoden wieder, sehr viele von den Freiheitlichen zu übernehmen, kann sie ihren Stimmenanteil von gerade einmal neun Prozent gut und gern verdoppeln.