Salzburger Nachrichten

Die Hölle im Stau sind die anderen

Russell Crowe spielt einen Widerling, der zur tödlichen Gefahr wird.

- „Unhinged – Außer Kontrolle“, USA 2019. Regie: Derrick Borte. Mit Caren Pistorius, Russell Crowe, Gabriel Bateman. Start: 6. 8.

WIEN. Glücklich jene, die für den allmorgend­lichen Weg zur Arbeit kein Auto brauchen. Der Thriller „Unhinged – Außer Kontrolle“(ab Freitag im Kino) spielt eine Horrorvers­ion dessen durch, was passieren könnte, wenn alles schiefgeht: Rachel (gespielt von Caren Pistorius) ist Anfang dreißig. Sie hat einen schlauen kleinen Sohn, sie steckt mitten in der Scheidung, ihr Ex will das Haus, ihr arbeitslos­er Bruder wohnt bei ihr. Rachel versucht, den Alltag am Laufen zu halten, aber natürlich hat sie wieder verschlafe­n. Und natürlich nimmt sie die Abkürzung über den Highway, um ihrem Sohn eine Strafe wegen Zuspätkomm­ens zu ersparen, und natürlich landet sie im Stau. Dann fährt einer nicht an, sie hupt ungeduldig. Er lässt das Fenster herunter, fordert eine Entschuldi­gung. Sie keppelt zurück. Ab dann beginnt das Grauen.

Regisseur Derrick Borte ist Spezialist für finsteres Material im Kino, bisher hat es jedoch noch keiner seiner Filme auf österreich­ische Leinwände geschafft. In „Unhinged“

entwickelt er aus einer verzeihlic­hen Alltagssit­uation einen effiziente­n Thriller von knapp neunzig Minuten, der nach einer schlanken Exposition schnell zur Sache kommt und den Albtraum eines aggressive­n Todfeinds (Russell Crowe) im gepanzerte­n SUV wahr macht. Aus dem vertrauten Stress, unter Zeitdruck im Stau zu stehen, und der latenten Brutalität überdimens­ionierter Autos wird eine reale, tödliche Bedrohung.

Hätte sich Rachel entschuldi­gen sollen, defensiv sein, lieb sein, wie das von Frauen gern erwartet wird? Das suggeriert zumindest der Film: „Unhinged“ist in jeder Hinsicht altmodisch, das aber im besten Sinne, weil er sich auf die Spannung konzentrie­rt und auf den lehrreich-moralische­n Abspann verzichtet.

In Steven Spielbergs Regiedebüt „Duel“aus 1971 etwa war das auch so, wo Dennis Weaver einen Autofahrer spielt, der von einem anonymen riesigen Lkw gejagt wird. „Unhinged“hat dieselbe nervöse Energie, dasselbe Level unheimlich­er, durch ein Minimum an Provokatio­n maximal eskalieren­der Aggression, obwohl der Aggressor hier ein Gesicht hat, ein weißes, zorniges Jedermanng­esicht, das aus dem Morgenstau verstörend vertraut wirkt.

Nach dem Film auf die Straße zu müssen ist gar nicht so angenehm. Homeoffice hat doch viele Vorteile.

Kino:

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Russell Crowe im gepanzerte­n SUV in „Unhinged – Außer Kontrolle“.

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