Die Hölle im Stau sind die anderen
Russell Crowe spielt einen Widerling, der zur tödlichen Gefahr wird.
WIEN. Glücklich jene, die für den allmorgendlichen Weg zur Arbeit kein Auto brauchen. Der Thriller „Unhinged – Außer Kontrolle“(ab Freitag im Kino) spielt eine Horrorversion dessen durch, was passieren könnte, wenn alles schiefgeht: Rachel (gespielt von Caren Pistorius) ist Anfang dreißig. Sie hat einen schlauen kleinen Sohn, sie steckt mitten in der Scheidung, ihr Ex will das Haus, ihr arbeitsloser Bruder wohnt bei ihr. Rachel versucht, den Alltag am Laufen zu halten, aber natürlich hat sie wieder verschlafen. Und natürlich nimmt sie die Abkürzung über den Highway, um ihrem Sohn eine Strafe wegen Zuspätkommens zu ersparen, und natürlich landet sie im Stau. Dann fährt einer nicht an, sie hupt ungeduldig. Er lässt das Fenster herunter, fordert eine Entschuldigung. Sie keppelt zurück. Ab dann beginnt das Grauen.
Regisseur Derrick Borte ist Spezialist für finsteres Material im Kino, bisher hat es jedoch noch keiner seiner Filme auf österreichische Leinwände geschafft. In „Unhinged“
entwickelt er aus einer verzeihlichen Alltagssituation einen effizienten Thriller von knapp neunzig Minuten, der nach einer schlanken Exposition schnell zur Sache kommt und den Albtraum eines aggressiven Todfeinds (Russell Crowe) im gepanzerten SUV wahr macht. Aus dem vertrauten Stress, unter Zeitdruck im Stau zu stehen, und der latenten Brutalität überdimensionierter Autos wird eine reale, tödliche Bedrohung.
Hätte sich Rachel entschuldigen sollen, defensiv sein, lieb sein, wie das von Frauen gern erwartet wird? Das suggeriert zumindest der Film: „Unhinged“ist in jeder Hinsicht altmodisch, das aber im besten Sinne, weil er sich auf die Spannung konzentriert und auf den lehrreich-moralischen Abspann verzichtet.
In Steven Spielbergs Regiedebüt „Duel“aus 1971 etwa war das auch so, wo Dennis Weaver einen Autofahrer spielt, der von einem anonymen riesigen Lkw gejagt wird. „Unhinged“hat dieselbe nervöse Energie, dasselbe Level unheimlicher, durch ein Minimum an Provokation maximal eskalierender Aggression, obwohl der Aggressor hier ein Gesicht hat, ein weißes, zorniges Jedermanngesicht, das aus dem Morgenstau verstörend vertraut wirkt.
Nach dem Film auf die Straße zu müssen ist gar nicht so angenehm. Homeoffice hat doch viele Vorteile.
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