Der kurze Atem unserer Hilfsbereitschaft
Wenn düstere Nachrichten auf uns einprasseln, ist sie stets ein Hoffnungsschimmer: die Welle der Hilfsbereitschaft, die anrollt, wenn Menschen in akuter Not sind. Egal ob Bürgerkrieg ausbricht, wie in Bosnien oder Syrien. Ob ein Coronavirus die ganze Lombardei ins Chaos stürzt. Ob Lawinen halbe Ortschaften verschütten, wie 1999 in Galtür. Oder – ganz aktuell, nach der monströsen Explosion, die das Beiruter Hafenviertel regelrecht eingeäschert hat.
Politiker des halben Planeten erklären da ihre Solidarität, machen Hilfsgelder locker, entsenden Rettungsteams, richten Spendenkonten ein. Wenn’s wirklich drauf ankommt, dann halten wir doch zusammen – diese tröstliche Botschaft darf man sich als erschütterter Beobachter zumindest vorhalten.
Und doch steht dieser menschlichen Stärke eine folgenreiche, ebenso menschliche Schwäche gegenüber. Sie besteht im kurzen Atem unserer Hilfsbereitschaft. Wenn ein Haus brennt, laufen wir hin und löschen. Das ist eine humanitäre Pflicht. Aber es ist auch zeitlich begrenzbar. Es ist unmittelbar erfolgversprechend. Es bringt einem Dankbarkeit und Anerkennung. Und, im Idealfall, positive Schlagzeilen.
Dann aber müssten, um im Bild zu bleiben, ein Sachverständigengutachten beauftragt werden, die Brandschutzverordnung angepasst und vielleicht die Feuerwehr umorganisiert werden. Das aber kostet Geld, ruft Widerstände auf den Plan, dauert erbärmlich lang – es ist undankbare Knochenarbeit.
Umgemünzt auf die großen Katastrophen bedeutet das: Ebenso dringend wie eine schnelle Spendenaktion brauchen die Libanesen strukturelle Hilfe beim Umbau ihres maroden Staates – jahrelang, wahrscheinlich jahrzehntelang. Bräuchten Staaten wie Afghanistan oder der Irak nicht nur militärische Befreiung, sondern Billionen an Aufbauhilfe über Generationen hinweg. Bräuchte Bosnien viel stärkeres Engagement seiner Nachbarn und Italien langfristige Unterstützung beim Umbau seines Gesundheitssystems. Sonst können wir nur auf die nächste Katastrophe warten – und dann wieder löschen rennen.