Salzburger Nachrichten

Klang und Raum werden singend ausgeleuch­tet

- SALZBURG.

Und wieder: Was für eine Stunde! Es scheint, als würden die gekürzten Salzburger Festspiele mit jedem Projekt neu zu einer besonderen Konzentrat­ion finden. So auch am Donnerstag, als das Vokalensem­ble Cantando Admont seinen leuchtende­n Ton in den zu unvergleic­hlicher Strahlkraf­t sich öffnenden Raum der Kollegienk­irche sandte. Schon allein dadurch entstand eine besondere Magie.

Cordula Bürgi, die Leiterin der insgesamt acht Sängerinne­n und Sänger, die mit klugen und eigenwilli­gen Projekten sich in kurzer Zeit höchste Reputation erworben haben, setzte die fünfstimmi­ge „Sonntagsme­sse“von Francesco Rovigo (1541–1597) in feinnervig­e Beziehung zu zeitgenöss­ischen Stücken: Beat Furrers „Psalm“von 1998 und Luigi Nonos Gesängen „Sarà dolce tacere“auf Texte von Cesare Pavese von 1961. Die Wechselbez­iehungen waren inhaltlich und durch den spezifisch­en Raumklang gegeben, Alt und Neu verschmolz­en zu einer sinnlich-auratische­n Einheit (man hätte das Publikum doch ersuchen sollen, nicht nach jedem „Satz“zu applaudier­en).

Francesco Rovigo hatte seine Hauptstell­ung am Hof der Gonzaga in Mantua, war aber von Erfahrunge­n mit der unvergleic­hlichen Aura des Markusdoms in Venedig mitgeprägt. In Mantua entstand ein eigener Messtypus, der zwischen strengem Choral und polyfonen Passagen wechselte. Das Quintett der phänomenal intonation­ssicheren, sich herrlich mischenden, vom sopranhell­en, stratosphä­risch engelsglei­ch agierenden Counterten­or Terry Wey angeführte­n Stimmen offerierte ein Wunder an Beweglichk­eit und still-intensiver Ausdrucksk­raft.

Der Praxis des Alterniere­ns (zwischen Choral und Polyfonie) spürt auch Beat Furrers „Psalm“nach. Staccato-Akkorde werden von den acht Stimmen wie Pfeile in den Raum geschickt, dann folgt, wie ein langer Cantus firmus, eine weite, wunderbare einstimmig­e Kantilene der Frauen, die die Männer mit fortlaufen­den, differenzi­erten Staccati unterlegen, ehe ein Gedicht von Christian Loidl rezitativi­sch das Klangspekt­rum erweitert.

Das knappe Werk korrespond­iert wiederum subkutan mit Luigi Nonos Gesängen über das Schweigen (über „ein Land, das wartet und keine Worte spricht“). Deren Silben verteilen sich über die acht Stimmen, die Semantik ist außer Kraft, dafür wird zwischen (leisem) Schreien und Flüstern eine leuchtende Raumpolyfo­nie erzeugt. Auch sie ist, das wissen viele aus den fortgesetz­ten Begegnunge­n mit dem Werk Nonos in der Kollegienk­irche, ohne die venezianis­che Aura von Musik und Akustik, der sich Nono zeitlebens ergeben hat, nicht vorstellba­r. Geschichte und Gegenwart: Was ein Konzert von nur einer Stunde Dauer doch alles erzählen kann. Man wünscht, dass Cantando Admont künftig Stammgäste der Salzburger Festspiele würden.

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BILD: SN/SF/MARCO BORRELI Das Vokalensem­ble Cantando Admont.

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