Kabarettistin Lisa Eckhart sorgt für Kontroversen um Freiheit der Kunst
Die Ausladung der österreichischen Kabarettistin Lisa Eckhart von einem Literaturfestival sorgt für Kontroversen in der Kulturszene. Die Polarisierung zelebriert sie als Kunstform.
Nachdem die österreichische Kabarettistin Lisa Eckhart von einem Hamburger Literaturfestival aus Angst vor Protest aus- und später wieder eingeladen wurde, ernteten die Veranstalter massive Kritik. Eckhart hatte zuvor mit einem Auftritt für Wirbel gesorgt, in dem sie sich über politische Korrektheit lustig gemacht hatte. Ihr wird vorgeworfen, rassistische wie antisemitische Klischees zu bedienen. Wie sie damit umgeht und warum sie nicht auf der Bühne alt werden will, erzählt sie im SN-Gespräch.
„Lieber am jüngsten Tag die Sintflut als täglich einen Shitstorm.“
Lisa Eckhart, Kabarettistin
Grazil wie eine Gazelle betritt Lisa Eckhart barfuß und im extravaganten Versace-Kleid die Bühne im Wiener Stadtsaal. Mit ihrer porzellanweißen Haut, den platinblonden Haaren, ihrem drahtigen Körper ist sie eine plakative Erscheinung. Es ist keine leichte Kost, die Eckhart in ihrem Programm „Die Vorteile des Lasters“serviert. Sie macht Witze über Inzest, Kinderarbeit und auf Kosten sämtlicher Glaubensgemeinschaften. Krieg sei eine wirksame Diät, die nicht in einer Frauenzeitschrift empfohlen werde, sagt sie etwa. „Hermann Göring war der erste Weight Watcher.“
Eckhart plädiert zudem dafür, geiziger im Umgang mit sozialen Medien zu sein. „Lieber am jüngsten Tag die Sintflut als jeden Tag einen Shitstorm“, sagt sie und spielt unweigerlich auf den Wirbel rund um die Aus- und Wiedereinladung für eine Lesung beim Literaturfestival Harbour Front in Hamburg an.
Dort wäre sie mit ihrem Debütroman „Omama“für den mit 10.000 Euro dotierten Klaus-Michael-Kühne-Preis nominiert gewesen, der im September verliehen werden soll. Nachdem die Kabarettistin vergangene Woche ausgeladen worden war, rechtfertigte dies Festivalleiter Nikolaus Hansen damit, dass es Drohungen des „schwarzen Blocks“der Antifa gegeben habe. Zudem hätten sich Künstler geweigert, mit ihr aufzutreten.
Auslöser dafür war ein Auftritt in der Sendung „Mitternachtsspitzen“im WDR aus dem Jahr 2018, in dem sie sich über politische Korrektheit im Zusammenhang mit Juden und Vergewaltigungsopfern lustig machte. Nachdem die Sendung im Mai dieses Jahres in der Mediathek des Senders abrufbar war, erntete sie einen Shitstorm. Kritiker werfen Eckhart vor, antisemitische wie rassistische Klischees zu bedienen. Eckhart habe sich ihren Auftritt sofort angesehen, wie sie im SN-Gespräch
erzählt. „Aber ich habe gemerkt, nein, ihr seht, was ihr sehen wollt.“
Am Montag dieser Woche ruderten die Veranstalter zurück: Es habe keine Drohungen, lediglich Warnungen gegeben. Daraufhin wurde Eckhart wieder eingeladen. Die Kabarettistin gab jedoch unverzüglich bekannt, dass sie nicht in Hamburg auftreten werde. „Wir wollten die Farce relativ schnell beenden“, sagt Eckhart. Um die Freiheit der Kunst sei sie besorgt. „Es braucht keine Vereinnahmung von außen“, die Kunst schaffe das ganz von allein. Die Künstler hätten sich der politischen Korrektheit verschrieben, kritisiert sie. Mittlerweile hat auch der Autor Sascha Reh seine Teilnahme abgesagt. Er sehe sich „außerstande“, bei einer Veranstaltung zu lesen, die sich nicht hinter das
Recht auf Freiheit in der Kunst stelle, wie er sagt.
Fürsprecher kann man sich nicht aussuchen – so ergriff auch die AfD in Hessen Partei für Eckhart und postete ein Foto von ihr auf Facebook mit dem Titel „Linke zerstören Deutschlands Freiheit“. Die Künstlerin wies den „plumpen Versuch der Instrumentalisierung“zurück. „Was soll ich mich groß distanzieren, wenn einander Welten trennen?“, sagt Eckhart. Ihr Verlag habe nun rechtliche Schritte wegen Verletzung des Persönlichkeitsund Urheberrechts eingeleitet.
„Ich kann nicht jeden mit Samthandschuhen anfassen“, sagt Eckhart gnadenlos ehrlich. Bei ihr bekommt jeder sein Fett weg: Veganer, Eskimos, Transsexuelle, auch Kinderbuchautor Thomas Brezina. Ein Dorn im Auge ist ihr der Einheitsbrei. „Hüten Sie sich vor der Mittelmäßigkeit“, warnt sie mehrmals.
Halt macht die als Lisa Lasselsberger in Leoben geborene 27-Jährige auch nicht vor ihrer Oma. In ihrem Roman „Omama“erzählt sie in sprachmächtig gedrechselten Sätzen halb fiktiv, halb biografisch die
Geschichte ihrer Großmutter nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Erinnerungslücken lässt sie der betagten Frau nicht durchgehen. „Keinem Alter gebührt Amnestie. Die steht nur Narren zu“, schreibt sie.
Sie selbst wolle nicht auf der Kabarettbühne alt werden, sagt Eckhart. Nach ihrem vierten Programm wolle sie nur noch schreiben. Ihr Debütroman gibt darauf einen Ausblick. Im Gegensatz zur Bühne könne sie in der Literatur als Person völlig verschwinden, betont Eckhart. „Ich bin keine Künstlerin, ich bin Kunst.“
Kabarett: Lisa Eckhart: „Die Vorteile des Lasters“, Wien, Stadtsaal, 16. 8. 2020, Salzburg-Termin:
29. März 2021.