„Sagen Sie nicht Mafia!“
Der Film „Il Traditore“erzählt vom größten Schlag gegen das organisierte Verbrechen in Italien.
WIEN. Tommaso Buscetta (gespielt von Pierfrancesco Favino), kann grantig werden, wenn Richter Giovanni Falcone (Fausto Russo Alesi) ein Fehler unterläuft. „Die Mafia existiert nicht. Cosa Nostra heißt das, so nennen wir Ehrenmänner sie.“Ehrenmänner respektieren einander, sie halten sich an Abmachungen. Doch heute ist die Cosa Nostra nicht mehr wie damals, als es um ein bisschen Zigarettenschmuggel ging, das muss auch Buscetta zugeben. Und deswegen hat er angefangen zu reden.
„Il Traditore“ist der jüngste Film des 80-jährigen Regie-Maestros Marco Bellocchio, und er ist ein Meisterwerk geworden. Die Geschichte folgt Tommaso Buscetta, genannt Don Masino, Soldat im wichtigsten Clan Palermos, von seiner Rolle als vertrauenswürdigem Gefolgsmann zum wichtigsten Kronzeugen des italienischen Staates gegen die Cosa Nostra.
Der Film beginnt 1980, Palermo ist längst der weltweit größte Umschlagplatz für Heroin geworden. Auch Buscettas ältester Sohn ist süchtig. Buscetta war immer loyal, doch jetzt will er aussteigen und geht mit seiner Frau (Maria Fernanda Cândido) und den jüngeren Kindern nach Brasilien. Doch während er dort das Leben genießt, wird daheim weitergemordet. Ihn erreicht die Nachricht, dass auch seine Söhne einer Racheaktion zum Opfer gefallen sind. Dann steht die brasilianische Polizei vor der Tür: Buscetta ist aufgeflogen, Italien will ihn als Kronzeugen.
Der echte Tommaso Buscetta und seine Zusammenarbeit mit dem Richter Ricardo Falcone hat der Cosa Nostra in den Achtziger- und Neunzigerjahren die schwersten Schläge ihrer Geschichte zugefügt. „Il Traditore“schildert den Weg zu dieser Kooperation, der in Brasilien staatliche Folter beinhaltet und in Italien eine Sorte kaltblütiger Morde, bei der dem Sohn eines Mafioso noch ein Arm abgehackt wird, bevor er erschossen wird, als Botschaft an die Überlebenden. Es ist hier so viel Geld im Spiel, dass alles egal zu sein scheint, mehr noch als das Heroin versetzt die Gier alle in einen Rausch, Gier nach Reichtum, und nach Macht. Doch es ist eben nicht alles egal. Pierfrancesco Favino spielt Buscetta als prinzipientreuen Mann. „Nicht ich, sondern die haben die Ideale der Cosa Nostra verraten“, sagt er vor Gericht, als es endlich, nach Jahren, zur Verhandlung gekommen ist. Und dort, vor aller Augen, werden die großen Paten zu ganz kleinlichen Männern, der Machtkampf zur Telenovela, und die Herren Ehrenmänner benehmen sich etwa so würdevoll wie verfeindete ehemalige Busenfreunde in einer melodramatischen Fernsehshow.
Doch so albern die Verbrecher da wirken, einfach ist die Verhandlung nicht, zu eng die Verstrickung mit der Politik, auch wenn die CosaNostra-Beziehungen von Ministerpräsident Andreotti nie endgültig bewiesen werden können.
„Il Traditore“ist so groß und elegant inszeniert wie „Der Pate“, ohne je die Mafia zu glorifizieren. Wie die Mafiosi das gelungene Attentat auf einen Feind mit Prosecco aus Plastikbechern feiern, von dem sie aus dem Fernsehen erfahren, ist dermaßen niederträchtig, dass es einem den Magen umdreht. Der Film bleibt immer eng an Buscetta, seinen Horrorfantasien vom eigenen Begräbnis. „Im eigenen Bett sterben – das wäre ein Sieg“, sagt er irgendwann in einem vertrauten Moment zu Falcone. Zumindest das ist ihm tatsächlich gelungen.
Film: