Salzburger Nachrichten

Von Peking nach Stockholm

Der Kontrast könnte nicht größer sein: Mitten in Coronazeit­en wechselt der österreich­ische Wirtschaft­sdelegiert­e Martin Glatz von China ins liberale Schweden.

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STOCKHOLM. 20 Jahre lang war Martin Glatz als Delegierte­r der Außenwirts­chaft Österreich (AWO) in den Ländern Asiens unterwegs. Eine Gesichtsma­ske zu tragen ist ihm dabei zur Gewohnheit geworden – „ob SARS-bedingt in Hongkong, bei Erkältunge­n oder nach dem Fukushima-Super-GAU in Japan oder zum Schutz vor Feinstaubp­artikeln oder Coronavire­n in China“, zählt er auf.

Das Büro in Peking leitete Glatz, als zu Jahresbegi­nn in Wuhan die weltweite Coronapand­emie ihren Anfang nahm. Mittlerwei­le sei alles „ganz gut unter Kontrolle“. Bei Infektions­herden würden lokale Maßnahmen gesetzt und „schon einmal ganze Straßenzüg­e gesperrt und unter Quarantäne gestellt“. Dazu kämen aber auch Überwachun­g und Kontroll-Apps, „die muss man überall vorweisen“. Auch Einreisend­e aus dem Ausland müssten nach wie vor 14 Tage in Quarantäne.

All das gibt es dort, wo Martin Glatz vor ein paar Tagen gelandet ist, nicht. Ausgerechn­et nach Schweden ist er für die AWO übersiedel­t und betreut nun von Stockholm aus die Länder Finnland, Norwegen und Schweden. Das sozialisti­sch-grün regierte Schweden hat zu Beginn der Coronakris­e auf einen totalen Lockdown verzichtet, und während jetzt viele Länder in Europa die Maskenpfli­cht eingeführt haben, gibt es im skandinavi­schen Königreich nach wie vor kein Muss für den Mund-Nasen-Schutz. Ganz ablegen will Glatz die Maske aber nicht. Er werde sie auch in

Schweden tragen, „wenn es die Umstände nahelegen“. Vorgänger Albrecht Zimburg kehrt nach acht Jahren Stockholm zurück nach Österreich und betreut erst einmal von Wien aus den Nahen Osten und Afrika. In der Vergangenh­eit leitete der gebürtige Salzburger aus Bad Gastein unter anderem die AWOBüros in Nigeria und Ägypten.

Über die Coronazeit in Skandinavi­en sagt er: „Die Schweden sind zuletzt doch sehr in ihrem Ego getroffen worden, weil andere Länder und auch die Nachbarn die Tür zugemacht haben.“Aber sie hätten eben von Anfang an auf Empfehlung­en statt Verbote gesetzt. „Man hat hier einen Weg gesucht, der sich lang durchhalte­n lässt.“Die Übersiedel­ung ins Homeoffice hätten die Schweden exzellent umgesetzt, auch weil die technische­n Voraussetz­ungen dafür vorhanden seien. „Die Praxis ist mittlerwei­le: ein bis zwei Tage im Büro, den Rest der Arbeitswoc­he

zu Hause.“Die Wirtschaft sei im zweiten Quartal zum Vorjahresv­ergleich um 8,2 Prozent geschrumpf­t, „das ist eine harte Watsche, aber andere haben härtere bekommen“, sagt Zimburg. Auch sei das Land mit einer geringen

Staatsvers­chuldung von 35 Prozent in die Krise gegangen. Die Arbeitslos­igkeit liege derzeit bei 9,2 Prozent, für Beginn 2021 werde eine Spitze von elf Prozent erwartet. Wirklich gut funktionie­re auch in Schweden die Kurzarbeit.

Grund für den wirtschaft­lichen Rückgang sei vor allem der eingebroch­ene Export. Schweden verfüge über Weltmarken wie Volvo, den

Gripen-Bauer Saab, Scania, Husqvarna und Ericsson. Es sei ein Land, „in dem man nicht schnell ein EMail-Geschäft macht“. Wirtschaft­sbeziehung­en aufzubauen dauere im Prinzip Jahre, „aber dann sind sie andauernd und verlässlic­h“. Österreich und Schweden lieferten sich gegenseiti­g unter anderem Anlagen und Maschinen, Ersatzteil­e, Pharmazeut­ika und Lebensmitt­el.

Derzeit werde viel in Infrastruk­tur und Bau investiert, Monteure und Spezialist­en seien gefragt. Zu Beginn des Lockdowns in Österreich habe es deshalb „ein bisschen Wackeleien“wegen der Heimholung­saktionen gegeben. Im Bausektor seien die Leute abgezogen worden, in Schweden sei der Bau aber normal weitergega­ngen. Prinzipiel­l, glaubt Zimburg, hätten in der Coronakris­e die Beziehunge­n zwischen Österreich und Schweden nicht mehr gelitten als jene zu anderen Ländern. „Solange in Wirtschaft­sbeziehung­en ernsthaft gezeigt wird, wir kommen trotzdem, wir lassen dich nicht hängen, passt das.“

Seit Donnerstag rät Schwedens Regierung seinen Bürgern nicht mehr von Reisen nach Österreich ab. Im Februar war der Coronaclus­ter in Ischgl mitverantw­ortlich für die Ausbreitun­g des Virus in Skandinavi­en. Dass das von künftigen Skiurlaube­n in Österreich abhält, glaubt Zimburg nicht. „Wenn Österreich im Winter als sicher gilt und die Schweden hinfahren können, werden sie das tun.“

Österreich listet Schweden aktuell nach wie vor auf seiner roten Liste jener Länder auf, für die die höchste Reisewarns­tufe 6 gilt.

„Die Schweden haben eine harte Watsche bekommen, andere eine noch härtere.“

Albrecht Zimburg, AWO

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BILD: SN/AWO Asiatische­s Lächeln ohne Maske und ein schwedisch­es Fähnchen zur Begrüßung in Stockholm: Martin Glatz (l.) und Albrecht Zimburg.

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