Salzburger Nachrichten

„Wir mussten MotoGP lernen“

KTM-Motorsport­chef Pit Beirer stand nach dem bisher größten Erfolg von KTM in einer Straßenren­nserie den „Salzburger Nachrichte­n“im Vorfeld der beiden Heimrennen am Red Bull Ring in Spielberg Rede und Antwort.

-

In der vierten Saison nach dem MotoGP-Einstieg im Jahr 2017 feierte der österreich­ische Hersteller KTM in Person von Brad Binder beim Grand Prix von Tschechien in Brünn den ersten Sieg in der Königsklas­se der Motorräder. Im Interview mit den „Salzburger Nachrichte­n“spricht KTM-Motorsport­chef Pit Beirer über die Gefühle nach dem ersten Sieg, das Risiko, in der MotoGP einzusteig­en, und warum das Projekt der Mattighofn­er einzigarti­g ist.

SN: Herr Beirer, haben Sie den ersten Sieg von KTM in der MotoGP schon realisiert?

Pit Beirer: Es fühlt sich immer noch an wie ein Traum. In den vergangene­n Tagen habe ich mich noch des Öfteren selbst kneifen müssen, ob das wirklich passiert ist. Der Sieg hat wie eine Bombe eingeschla­gen.

SN: Fällt der Druck nach dem Erreichen des ersten großen

Ziels ab?

Wir haben im Sommer 2014 die Entscheidu­ng getroffen, in die MotoGP einzusteig­en. Im selben Jahr haben wir extra ein neues Gebäude in Oberösterr­eich für dieses Vorhaben gebaut. Nach dem Sieg fällt eine Tonne Last von unseren Schultern ab. Der Sieg setzt neue Kraft frei und gibt auch Sicherheit, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

SN: Was macht das Projekt MotoGP von KTM so besonders und einzigarti­g?

Es ist ein Projekt „made in Austria“. Wir haben von Anfang an einen eigenen Weg gewählt. Angefangen bei unserem Stahlrohrr­ahmen, den wir als einziges Team in der MotoGP

Brad Binder holte für KTM beim Grand Prix von Tschechien den ersten MotoGP-Sieg für KTM.

einsetzen, bis hin zu den Federeleme­nten von WP Suspension, die auch nur wir benutzen und als einziges Team selbst herstellen. Insgesamt machen das Motorrad 3600 Einzelteil­e aus. Jedes einzelne davon haben wir selbst in Österreich erzeugt. Darauf sind wir sehr stolz.

SN: Für diesen eigenwilli­gen

Weg mussten Sie auch Kritik einstecken.

Der Druck, in die MotoGP einzusteig­en, war riesig. Das Risiko als unerfahren­e Mannschaft ist sehr groß. In den ersten beiden Jahren nach dem Einstieg lief es gut. Im dritten Jahr haben wir dann keine Steigerung mehr erlangt und der Gegenwind von allen Seiten wurde merklich stärker. Der Vorstand ist aber zu 100 Prozent hinter dem Projekt gestanden. Hätten wir versagt, hätte das einen Schatten auf alle anderen Erfolge von KTM geworfen.

SN: Wie haben Sie in den Phasen, in denen es nicht nach Wunsch lief, trotzdem die Ruhe bewahrt? Unser Ziel war es immer, den Rückstand auf die Spitze kontinuier­lich zu reduzieren. Die anderen Teams haben allesamt jahrzehnte­lange Erfahrung im Straßenren­nsport. Wir sind praktisch von null weg gestartet. Wir mussten MotoGP lernen.

SN: Das heißt, Endplatzie­rungen spielten nur eine untergeord­nete Rolle?

Ja, genau. Nach jedem Rennwochen­ende haben wir zwei Indikatore­n genau beobachtet. Zum einen den Rückstand auf die schnellste Zeit im Qualifying und zum anderen den Rückstand auf den Rennsieger. Nach jedem Rennen haben wir an einer Tafel in unserem Werk zwei Balken mit den Rückstände­n in Sekunden montiert. Da haben wir schon gesehen, dass die Balken immer kleiner werden, bis beim Rennen in Brünn zum ersten Mal kein Rückstand mehr da war.

SN: Warum hat es in der vierten Saison zum ersten großen

Wurf gereicht?

Der Sieg ist die Konsequenz nach einem logischen Aufbau über Jahre hinweg. Im dritten Jahr sind wir in den Rhythmus gekommen. Wir haben alle Erkenntnis­se aus den ersten Jahren in das Motorrad für diese Saison miteinflie­ßen lassen. Darüber hinaus nutzen wir die Testtage, die uns als Konzession­steam zur Verfügung stehen, sehr gut, um das Motorrad weiter zu verbessern.

SN: Bei weiteren Erfolgen könnten Sie die Vorteile der zusätzlich­en Testfahrte­n noch im August verlieren.

Die Testtage als Konzession­steam werden meiner Meinung nach überbewert­et. Wir haben zwar laut Reglement im Lauf der Saison mehr Motoren zur Verfügung, aber wir hätten auch mit der regulären Anzahl an Motoren kein Problem. Vor allem, da der Motor immer das Prunkstück unseres Projekts war.

SN: Welche Rolle spielen die Fahrer für den Erfolg Ihres Projekts?

Sie haben natürlich eine ganz entscheide­nde Funktion. Am Rennsonnta­g ab 14 Uhr sind sie dafür verantwort­lich, das Beste aus dem Motorrad herauszuho­len. Dass uns Pol Espargaró (wechselt zu RepsolHond­a) am Ende der Saison verlässt, war ein Schock für uns. Aber der Sieg von Brad Binder zeigt, dass wir auf die richtigen Fahrer setzen. Mit Dani Pedrosa und Mika Kallio haben wir außerdem zwei sehr erfahrene Testfahrer, die uns enorm weiterhelf­en.

SN: Haben sich die Saisonziel­e nach dem Premierens­ieg am Sonntag geändert?

Es ist wichtig, mit beiden Beinen auf dem Boden zu bleiben. Das Saisonziel bleibt weiterhin unveränder­t. Wir wollen aus eigener Kraft konstant unter die Top 5 fahren.

Zur Person

 ?? BILD: SN/GEPA PICTURES ??
BILD: SN/GEPA PICTURES
 ??  ?? Pit Beirer ist Motorsport­direktor bei KTM. Der 47-Jährige avancierte Mitte der 1990er-Jahre zum erfolgreic­hsten Motocrossp­iloten Deutschlan­ds. Seit einem schweren Sturz beim Cross-Grand-Prix von Bulgarien im Jahr 2003 sitzt der Deutsche aufgrund einer Querschnit­tlähmung im Rollstuhl.
Pit Beirer ist Motorsport­direktor bei KTM. Der 47-Jährige avancierte Mitte der 1990er-Jahre zum erfolgreic­hsten Motocrossp­iloten Deutschlan­ds. Seit einem schweren Sturz beim Cross-Grand-Prix von Bulgarien im Jahr 2003 sitzt der Deutsche aufgrund einer Querschnit­tlähmung im Rollstuhl.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria