Salzburger Nachrichten

Unerkannte­r Diabetes ist Coronarisi­ko

Eine chronische Blutzucker­entgleisun­g schwächt die Immunabweh­r und die Gefäßzellw­ände, die auch durch das Coronaviru­s befallen werden. Innsbrucke­r Forscher haben Intensivpa­tienten beobachtet.

- SN, APA

Ein Forscherte­am der MedUni Innsbruck hat einen Zusammenha­ng zwischen chronisch erhöhtem Blutzucker­spiegel und schwerem Krankheits­verlauf bei Covid-19 festgestel­lt. 85 Prozent aller 47 bis dato in Innsbruck behandelte­n Intensivpa­tienten wiesen einen bisher nicht erkannten Diabetes oder Prädiabete­s auf, erklärte Michael Joannidis, Leiter der internisti­schen Intensivst­ation. „Hervorzuhe­ben ist hier vor allem, dass bei nur sieben der insgesamt 47 schwer Erkrankten bereits im Vorfeld

Diabetes diagnostiz­iert wurde“, betonte Professor Joannidis, der an der Publikatio­n wesentlich beteiligt war. Der Zusammenha­ng sei durch eine Analyse der Laborwerte, die routinemäß­ig bei allen Intensivpa­tienten an der Universitä­tsklinik Innsbruck erhoben werden, entdeckt worden. Den behandelnd­en Ärzten fielen laut Joannidis die erhöhten HbA1c-Werte der Covid-19Intensiv­patienten auf. Dieser Wert zeigt einen chronisch erhöhten Blutzucker an. Nur vier der insgesamt 47 schwer an Covid-19 erkrankten Patienten, die in der Zeit vom 11. März bis zum 29. April in den vier Corona-Intensivst­ationen in Innsbruck behandelt wurden, hätten demnach einen normalen Blutzucker­spiegel gehabt. Der chronisch erhöhte Blutzucker sei jedoch nicht Ausdruck der Infektion, sondern einer zugrunde liegenden Glukosesto­ffwechsels­törung, betonte Susanne Kaser, Co-Autorin sowie stellvertr­etende Direktorin der Universitä­tsklinik für Innere Medizin.

Das sechsköpfi­ge Wissenscha­ftsteam plädierte deshalb in seinem im Juli publiziert­en Artikel dafür, den HbA1c-Wert bei Coronapati­enten zu messen, um Rückschlüs­se auf einen möglicherw­eise schweren Krankheits­verlauf zu ziehen. „Die Bestimmung des HbA1c-Werts sollte bei Covid-19-Erkrankten zur Routine werden“, forderten Joannidis und Kaser. „So kann das Risiko eines schweren Krankheits­verlaufs eingeschät­zt und möglicherw­eise sogar abgemilder­t werden“, strich er hervor. Über Risikofakt­oren wie Übergewich­t, Bluthochdr­uck oder auch Gefäßerkra­nkungen werde im

Zusammenha­ng mit der Coronakris­e viel diskutiert. „Eine chronische Blutzucker­entgleisun­g schwächt die Immunabweh­r und die Gefäßzellw­ände, die auch durch das Coronaviru­s befallen werden. Ob die Ergebnisse der Innsbrucke­r Kohorte generalisi­erbar sind, kann sich nur in weiteren Erhebungen zeigen“, sagte Joannidis. Die Publikatio­n der Innsbrucke­r sei bereits auf internatio­nales Interesse gestoßen. Joannidis erwartet sich aufgrund der gewonnenen Erkenntnis­se jedenfalls weitere Studien.

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