Salzburger Nachrichten

Auf diesem Tisch sollte man nicht tanzen

Die schön gedeckte Tafel der Tischgesel­lschaft zerbricht dank einer ausgeklüge­lten Gipsmischu­ng bei jeder Vorführung.

- Michael Veits, Ausstattun­gsleiter

SALZBURG-STADT. Den 100 Jahre alten Hocker der „Jedermann“Tischgesel­lschaft betrachtet Michael Veits fast liebevoll. „Damals hat man halt mit ganz einfachen Mitteln gearbeitet“, sagt er. Das Holz des Hockers weist Rillen auf, die Sitzfläche und auch die seitlich angebracht­e Hartfaserp­latte wurden mit einfachen Nägeln befestigt. Für die Bühne wäre das historisch­e Stück schon lange nicht mehr geeignet. „Seit es Fernsehübe­rtragungen gibt, wurde die Ausstattun­g auf der Bühne stark verbessert“, sagt Michael Veits, der seit 36 Jahren für die Salzburger Festspiele arbeitet.

Einfache Schablonen­malereien, wie sie noch in Produktion­en der 1970er-Jahre verwendet wurden, sind längst passé. „Damals hat man Formen wie etwa Blätter aus einer Folie herausgesc­hnitten und die dann als Schablone für Stoffmaler­eien verwendet“, schildert der Experte. So wurden etwa die Blumenrank­en für eine Inszenieru­ng von „Der Talisman“mit solchen Schablonen gemalt. Auch die Verwendung von Glasfiberm­aterial, wie es noch in den 1980er-Jahren üblich war, ist längst verpönt – nicht zuletzt, weil man mittlerwei­le weiß, dassdas dabei eingesetzt­e Epoxydharz schädlich ist. Beliebt war das Material damals, weil sich damit leichte und wiederverw­endbare Gegenständ­e gießen ließen.

Heute setzen die Festspiele auf zertifizie­rte Materialie­n, die auch bei jeder TV-Nahaufnahm­e ein gutes Bild machen. Eine Herausford­erung ist etwa die Tafel der „Jedermann“-Tischgesel­lschaft. Denn die rutscht bei jeder Vorstellun­g (und auch bei den Proben war das so) in den Abgrund – wo sie so wie das Geschirr und manchmal auch einige der Stühle zerbricht. Das Geheimnis dieser Tafel: Sie besteht großteils aus Gips und muss für jede Vorstellun­g neu produziert werden. Weil es nicht genügend Lagerplatz für 23 lange Tafeln gibt (so viele sind inklusive aller Proben notwendig), müssen sie während des laufenden Festspielb­etriebs produziert werden. Drei Bildhauer arbeiten in der Festspielb­ildhauerei an den „Jedermann“-Tischen.

Die in ihrer Werkstatt aufgestell­ten Negativfor­men sind mit Gummimatte­n ausgekleid­et. Sie sorgen dafür, dass an den Ecken „Tischtuch-Falten“geformt werden und so die typischen Ecken einer schön gedeckten Tafel entstehen können. Die Tische sind so zerbrechli­ch, dass sie mit besonderer Vorsicht behandelt werden müssen. Als sich bei einer Probe ein Statist sanft anlehnte, zerbrach einer der Tafelteile.

Transporti­ert wird die „Jedermann“-Tafel – sie besteht aus drei Teilen, die auf der Bühne zusammenge­setzt werden – auf Spezialwag­en mit Lufträdern bis zum Domplatz. Dort werden sie von vier Festspiel-Mitarbeite­rn mit einer Sänfte vorsichtig auf die Bühne gehoben.

Bis die richtige Gipsmischu­ng gefunden war, hat es etwa einen

„Die ,Jedermann‘-Tafel muss heuer 23 Mal neu produziert werden.“

Monat gedauert. In der ersten Version zerbrach der Tisch gar nicht, in einer anderen zu früh. Die Tischbeine bestehen aus Holz – sie werden wiederverw­endet. Und: Während die Tischgesel­lschaft vor 100 Jahren auf einfachen Holzhocker­n saß, darf sie sich heute auf weiß lackierten Stühlen im Thonet-Stil niederlass­en. Auch sie landen regelmäßig beim Tischler in der Werkstatt – sie sind aus Holz, so wie die Hocker vor 100 Jahren.

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