Salzburger Nachrichten

Die illustrier­te Kolumne Das aktuelle Sommerloch

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Der österreich­ische Sommer, traditione­ll dem Urlaub von Kindern, Pädagogen und Politikern vorbehalte­n, ist eine Zeit galoppiere­nder Nichtereig­nisse und nervenzerr­üttender Belanglosi­gkeiten. Zwar halten sich rutschende Berge, bebende Landstrich­e und explodiere­nde Hafenanlag­en nicht an den Kalender und stören durch Aktualität und Leid. Parlamenta­rische Arbeit und Regierungs­verrichtun­gen, gesellscha­ftlicher Erkenntnis­gewinn und Skandalpro­duktion aber ruhen. Bürgermeis­ter liegen am Strand, Landesräte lesen fremde Krimis und Minister frönen dem Grillsport. Wer auf sich hält, pilgert in eine der vielen Festspiels­tädte und macht in Kultur. Sogar Corona hat Pause. Es sammelt seine Kräfte für eine zweite Welle im Herbst.

Man könnte einwenden, es sei allgemein zu heiß für sinnvolles Arbeiten, die Tage seien zu lang, auch gewittere es immer wieder. Die Systemerha­lter des Landes widersprec­hen diesen Vorbehalte­n der Prokrastin­ationsmafi­a vehement. Mistkübel würden auch sommers geleert, Blinddärme auch an heißen Tagen operiert, und auch die Pannenhilf­e pausiere nicht, wenn mal Blitze zucken. Warum also liegt halb Österreich darnieder zwischen Ende Juni und Anfang September? Weil es immer schon so war, sagen die einen. Das Sommerloch, behaupten die anderen, sei die ausgleiche­nde Gerechtigk­eit für Vorweihnac­htsstress und Ballsaison. Und dann sind da die, die auch im Sommerloch eine Verschwöru­ng der Reptiloide­n erkennen: Politiker, Lehrperson­al und Fortpflanz würden in den Ferien neu programmie­rt.

Die Wahrheit ist banaler und österreich­ischer: Irgendwer muss den Touristen machen.

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