Salzburger Nachrichten

Akku-Mythen im Faktenchec­k Ein Batterieex­perte gibt Tipps, wie der E-Auto-Akku länger hält

Über die „Gesundheit“eines Lithium-Ionen-Akkus entscheide­n zahlreiche Faktoren. Der Mitgründer des Start-ups Aviloo verrät im SN-Gespräch, wie man E-Auto-Batterien gut behandelt.

- FLORIAN T. MRAZEK

DDie Angst vor vorzeitig alternden Lithium-Ionen-Akkus und dem damit einhergehe­nden Reichweite­nverlust hält viele Menschen derzeit noch davon ab, ein Elektroaut­o zu kaufen. Exakt darauf basiert die Geschäftsi­dee der Gründer des Unternehme­ns Aviloo. Das 2017 gegründete Start-up hat es sich zur Aufgabe gemacht, eine objektive und hersteller­übergreife­nd vergleichb­are Ankaufsübe­rprüfung für Elektroaut­os zu entwickeln. Dabei wird ein Zertifikat ausgestell­t, das den Zustand der Batterie seriös beurteilt. Da der Akku bei E-Autos gut die Hälfte des Fahrzeugwe­rts ausmacht, lässt sich dadurch der Wiederverk­aufswert gebrauchte­r Elektrofah­rzeuge ermitteln.

SN: Herr Mayerhofer, Sie beschäftig­en sich seit vielen Jahren profession­ell mit Batterien. Wie begründet sind die Vorbehalte, die viele Skeptiker gegenüber den Akkus von E-Autos haben?

Nikolaus Mayerhofer:

Ich muss sagen, dass wir von der Elektromob­ilität begeistert sind. Lithium-Ionen-Akkus sind eine zukunftstr­ächtige Technologi­e. Wir haben bereits über 300 Autos erforscht, bei keinem einzigen kam es zu einem plötzliche­n Kapazitäts­abfall. Was wir allerdings sehr wohl beobachten, ist, wie unterschie­dlich schnell Akkus Kapazität (und somit Reichweite) verlieren, wenn diese durch ihre Besitzer „unterschie­dlich“behandelt werden. Alter und Kilometers­tand sind bei Weitem keine ausreichen­den Indikatore­n für den Batteriezu­stand.

SN: Bei konvention­ell angetriebe­nen Fahrzeugen kennt man eine Reihe von „Regeln“, die man einhalten sollte, damit der Motor möglichst lang hält – etwa das klassische „Warmfahren“nach dem Start. Gibt es Ähnliches auch fürs Elektroaut­o?

Absolut! Insgesamt gibt es vier Faktoren, die darüber entscheide­n, wie schnell der Akku altert – wie schnell er also wie viel seiner Kapazität einbüßt. Neben der Temperatur ist das auch der Ladezustan­d in Kombinatio­n mit der Zeit sowie die Lade- und Entladerat­e. Der größte Unterschie­d zu einem Fahrzeug mit Verbrennun­gsmotor: Bei einem E-Auto, das ein Jahr voll aufgeladen in der Garage gestanden ist, altert der Akku praktisch gleich schnell wie bei einem, das im selben Zeitraum 20.000 Kilometer gelaufen ist.

SN: Wie ist das möglich?

Am wohlsten fühlen sich Lithium-Ionen-Akkus in einem Ladezustan­d von 30 bis 50 Prozent der Gesamtkapa­zität. Wie schnell ein Akku altert, entscheide­t ganz wesentlich die Verweildau­er außerhalb dieses „Wohlfühlbe­reichs“. Dasselbe gilt übrigens für die Akkus unserer Smartphone­s: Nicht etwa das Aufladen auf 100 Prozent oder Ausnutzen der Kapazität bis auf null Prozent ist schlecht für den Energiespe­icher, sondern vielmehr die Dauer, wie lange der Ladezustan­d in diesen Extremen bleibt. So ist beispielsw­eise die Nutzung eines Schnelllad­ers an der Autobahn weniger schädlich, als den Energiespe­icher ganz langsam in der eigenen Garage aufzuladen und dann mehrere Tage am Stecker hängen zu lassen.

SN: Dennoch empfehlen die Autoherste­ller, Schnelllad­er möglichst selten zu verwenden.

Das ist auch absolut richtig so. Das Schnelllad­en ist aus Sicht der Lebensdaue­r des Akkus nur bei Langstreck­en sinnvoll. Ansonsten gilt: Den Akku immer nur dann laden, wenn notwendig. Und so langsam wie möglich.

SN: Und folglich nicht bis 100 Prozent.

Das hängt davon ab, ob ich sofort die gesamte Reichweite des Fahrzeugs brauche. Reichen etwa 50 Prozent, so sollte ich nicht weiter laden. Bei den meisten Marken sind

100 Prozent in Wahrheit ohnehin nur rund 90 Prozent, da zehn Prozent Sicherheit­spuffer einkalkuli­ert werden, um den Akku zu schonen. Das gleiche gilt am anderen Ende: Wenn null Prozent angezeigt wird, ist der Akku nicht vollständi­g leer.

SN: Sie haben die Temperatur als ersten Faktor genannt. Wo liegt hier der Wohlfühlbe­reich der Akkus?

Da muss man unterschei­den: Bei der Lagerung sind zehn bis 15 Grad Celsius optimal. Beim Aufladen gelten je nach Hersteller zwischen 30 und 35 Grad als Richtwert. Je mehr und je länger der Akku von diesen Bereichen entfernt ist, desto schlechter. Einmal Supercharg­er ist deshalb nicht weiter schlimm. Aber das Auto tage- oder wochenlang vollgelade­n am Stecker hängen zu lassen, sehr wohl.

SN: Ist es demnach empfehlens­wert, beim Kauf darauf zu achten, dass ein E-Auto ein System fürs Temperatur­management eingebaut hat?

In den meisten Fällen ja. Noch wichtiger ist allerdings die Möglichkei­t, die Ladedauer und den maximalen Ladezustan­d definieren zu können. Grundsätzl­ich sind die Faktoren, über die der Fahrer entscheide­t, viel wichtiger als die eigentlich­e Hardware.

SN: Sie kritisiere­n das übermäßige Rekuperier­en im E-Auto, also das Fahren ausschließ­lich mit dem Gaspedal. Warum?

Weil es extrem schwer ist, am Gaspedal den Druckpunkt zu finden, bei dem der Akku weder lädt, noch Energie abgibt. Man muss wissen: Der Wirkungsgr­ad der Rekuperati­on ist äußerst gering. Umweltfreu­ndlicher ist es, möglichst oft

„zu segeln“und nur dann zu bremsen, wenn man wirklich muss. Vorausscha­uend fahren zahlt sich auch mit E-Motor aus.

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BILD: SN/AVILOO Nikolaus Mayerhofer (l.) und Wolfgang Berger, die beiden Gründer des Akku-Start-ups Aviloo.

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