Salzburger Nachrichten

GESCHENKE

Martin Pucher erhielt von der Commerzial­bank 350.000 Euro Jahresgeha­lt. Die Pleitebank war auch bei Jubiläen von Lokalpolit­ikern großzügig.

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Die Commerzial­bank bleibt mit Geschenken und einem Direktoren-Jahresgeha­lt von 350.000 Euro in den Schlagzeil­en.

Vor 28 Jahren, im Jahr 1992, soll der damalige Direktor der Raiffeisen­bank Schattendo­rf, Martin Pucher, mit dem Fälschen von Interbanke­n-Guthaben begonnen haben. Erst drei Jahre später, im Jahr 1995, ging aus dem Geldinstit­ut die Commerzial­bank Mattersbur­g hervor. Was sich nicht änderte, sondern immer mehr verstärkte: erfundene Bankbestät­igungen, erfundene Kreditgesc­häfte, erfundene Zinsgewinn­e. Über Jahrzehnte fiel das gefakte Zahlenkons­trukt niemandem auf – weder dem Wirtschaft­sprüfer TPA noch Finanzmark­taufsicht, Nationalba­nk, noch dem eigenen Aufsichtsr­at. Pucher und seine Kovorstand­schefin, die im Alter von 23 Jahren als Assistenti­n angeheuert hatte, hüteten viele Jahre lang dieses gemeinsame Geheimnis.

Jetzt liegt das Lebenswerk des 64-Jährigen in Trümmern. Norbert Wess, Wiener Rechtsanwa­lt von Martin Pucher, spricht von einer „absoluten Ausnahmesi­tuation“. „Mein Mandant ist massiv geschockt. Er nimmt erst jetzt das Ausmaß des Schadens wahr, den er angerichte­t hat. Er hat bis zuletzt gehofft, mit einem ,Lucky Punch‘ vieles sanieren zu können.“Auf der anderen Seite sei Pucher mit seinem Geständnis eine Last von den Schultern gefallen. Denn er habe zuvor gar nicht mehr schlafen können – „er hat das immer mit sich getragen“, so Wess.

Dieses Schuldenge­heimnis habe derart massiven Druck und Belastung verursacht, dass er nach einer Inspektion der Aufsicht 2015 zwei Schlaganfä­lle erlitten habe. „Wenn er daran denkt, wer ihm sein Geld anvertraut hat, verliert er die Fassung“, sagt Wess. Und weiter: „Pucher

konnte sich nicht eingestehe­n, dass er mit der Bank gegen die Wand fährt.“

Es gab eine Vielzahl an Prüfungen durch Kontrollgr­emien – allein zwischen 1994 und 1998 seien es vier gewesen. Aufgefalle­n sind die Fälschunge­n nie. Es wurde auch nie nachgefrag­t, ob Einlagen bei anderen Banken überhaupt bestehen. Mit Eröffnung des Insolvenzv­erfahrens bezifferte die Finanzmark­taufsicht die Überschuld­ung mit 528 Millionen Euro.

Wo dieses Vermögen hingefloss­en ist? „Mehr als die Hälfte des Geldes ist in die Bank hinein, um das System am Laufen zu halten. Ziel war, die Insolvenz der Bank zu vertuschen und Regularien zu erfüllen, um nach außen als gut funktionie­rende Bank dazustehen“, sagt Anwalt Wess. Pucher schätzt demnach, dass zwischen acht und zwölf Prozent in den SV Mattersbur­g geflossen sind. Ab dem Aufstieg in die Fußballbun­desliga im Jahr 2003 sollen das zwischen 40 und 50 Millionen Euro gewesen sein.

„Mein Mandant schließt aus, sich persönlich bereichert zu haben.“Auch größere Zuwendunge­n an politische Parteien soll es nicht gegeben haben. Pucher selbst habe ein Vorstandsg­ehalt von 350.000 Euro brutto im Jahr kassiert. Ein sogenannte­s „Bilanzgeld“(eine Art Prämie) in Höhe von zwei Monatsgehä­ltern, das ihm ausdrückli­ch der Aufsichtsr­at gewährte, ist darin bereits inbegriffe­n. „Er hat sicher nicht am Hungertuch genagt“, betont Wess. Im Luxus habe er dennoch nicht gelebt, sondern vielmehr auch mit seinem Privatgeld noch den SV Mattersbur­g unterstütz­t. „Der Verein war ein massiver Profiteur. Der SVM hat Pucher persönlich­e Reputation und Ansehen gebracht. Der Verein war irgendwann noch die schöne, heile Welt in seinem Leben, wo er von allen liebgewonn­en und geschätzt war.“

Norbert Wess zeichnet von seinem Mandanten ein tragisches Bild. „Er hatte für jeden Bittstelle­r ein offenes Ohr – eine Art Helfersynd­rom.“Das geht auch aus dem Geschäftsb­ericht 2018 hervor. Die Commerzial­bank beteiligte sich demnach an den Kosten für das neue Tanklöschf­ahrzeug für die FF Zemendorf, auch ein Schulbau wurde unterstütz­t.

Und da war noch dieses Sonderbudg­et für Marketing, das er sich pauschal immer zu Jahresbegi­nn vom Aufsichtsr­at genehmigen ließ. Tombolas, Feuerwehrf­este, Sportverei­ne wurden gesponsert. Aber auch Persönlich­keiten in der Region sollen zu runden Geburtstag­en großzügige Gratulatio­nsgeschenk­e erhalten haben. Aus der CMB hört man, dass nicht nur der zurückgetr­etene Landesrat Christian Illedits ein Goldplättc­hen im Wert von heute 5400 Euro entgegenna­hm. Weitere Rücktritte könnten folgen: Denn zahlreiche Bürgermeis­ter sollen im Laufe der Jahre Goldpräsen­te erhalten haben. Namen, wer möglicherw­eise verbotene Geschenke angenommen haben könnte, wollen die Aufsichtsr­äte nicht nennen. Die Regionalba­nk hatte in zahlreiche­n Gemeinden Zweigstell­en und damit besonders intensiven Kontakt zu Entscheidu­ngsträgern.

Pucher dürfte letztlich über einen Whistleblo­wer gestolpert sein. Dieser hatte 2015 vergeblich eine detaillier­te Sachverhal­tsdarstell­ung eingebrach­t. Im Frühjahr 2020 dann nochmals. Der 64-jährige Ex-Bankdirekt­or vermutet einen ehemaligen Mitarbeite­r hinter der Anzeige. Pucher drohen im Falle einer Verurteilu­ng bis zu zehn Jahre Haft.

Er steht vor den Trümmern seiner Existenz. Er und seine Familie sind Drohungen ausgesetzt, „die Polizei hat das gut im Griff“, so Wess. Wer glaubt, sich beim Ex-Manager schadlos halten zu können, liegt falsch. „Die Privatinso­lvenz ist unvermeidl­ich. Diese ist in Vorbereitu­ng“, erklärt Anwalt Wess.

„Der Verein war seine heile, schöne Welt.“

Norbert Wess, Rechtsanwa­lt

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BILD: SN/MARTIN JUEN / SEPA.MEDIA / PICTUREDES­K.COM Martin Pucher wollte mit seiner Commerzial­bank immer die Kirche im Dorf lassen.
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