Die Ampel oder: Wie man rasende Landesväter besänftigt
Der Mangel an persönlichen Begegnungen bringt den Bundesstaat Österreich in eine bedauerliche Schieflage.
Wissen Sie, was Landespolitiker und Autofahrer gemeinsam haben? Beide werden echt sauer, wenn die Ampel nicht grün ist. Schaltet diese auf Gelb oder Orange, geben sie erst so richtig Gas. Und wenn die Ampel gar auf Rot springt, ist noch lange nicht gesagt, dass sie das Signal auch wirklich beachten.
Denn wenn die Ampel nicht grün ist, dann ist der betreffende Landeshauptmann der Regierung in Wien gar nicht grün. Ganz im Gegenteil: Er wird rasend und verflucht sie wie der Autofahrer die Radarfalle.
Dass sich die Beziehungen zwischen Bund und Ländern so rasant verschlechtern, hängt mit Corona zusammen. Denn mangels persönlicher Begegnungen sind die üblichen Besänftigungsrituale zwischen Regierung und Landeshauptleuten derzeit kaum möglich.
Nehmen wir nur das Händeschütteln. Dieser schöne Brauch wurde von unseren Altvordern erfunden, damit man einander beweisen kann, keine versteckten Waffen in der Hand zu tragen. Wegen Corona gibt es derzeit aber keine Treffen und damit kein Händeschütteln. Kein Landeshauptmann kann also wissen, ob der Bundeskanzler oder der Gesundheitsminister nicht vielleicht eine rote Ampel in der Faust versteckt hält. Das treibt den Landesvätern die Zornesröte ins Gesicht, ist ja logisch.
Ein Besänftigungsritual, das derzeit ebenfalls nicht möglich ist, ist das Kleinmachen. Wenn in der Tierwelt ein Unter- einem Überlegenen begegnet, macht er sich ganz klein und tut so, als wäre er überhaupt nicht da. In der Menschenwelt hat sich das im Kniefall oder im Aufden-Bauch-Werfen erhalten, wie es die orientalischen Despoten einst verlangten.
Und was, bitte, ist ein orientalischer Despot gegen einen österreichischen Landeshauptmann? Mit Fug und Recht kann dieser daher erwarten, dass jeder Bundespolitiker vor ihm einen Bauchfleck macht. Aber auch das geht derzeit nicht. Und ein Bauchfleck per Videokonferenz? Das ist nur der halbe Spaß.
Apropos Kleinmachen: Junge Hunde besänftigen große Artgenossen dadurch, dass sie sich auf den Rücken werfen und einen kleinen Springbrunnen erzeugen. Das wäre von der Bundesregierung auf ihren Bundesländer-Tagen aber wirklich zu viel verlangt.
Ein hübsches Besänftigungsritual ist schließlich das Gastgeschenk. Ein Vogel, der einen anderen in dessen Nest besucht, bringt einen fetten Wurm mit, um dem Haus- bzw. Nestherrn den Schnabel zu stopfen und nicht zu riskieren, von ihm gezwickt zu werden. Deswegen hat ja die Bundesregierung, ehe sie die Ampel für Linz auf Zartgelb schaltete, den Linzern im Schnäbelchen eine neue technische Universität mitgebracht. Aber offensichtlich mögen die Linzer keine fetten Würmer.