Salzburger Nachrichten

Türkei reagiert scharf auf Aussagen von Kurz

Der türkische Außenminis­ter Çavuşoğlu wirft Bundeskanz­ler Kurz „Fremden- und Islamfeind­lichkeit“und „abstoßende Politik“vor.

- A. Schallenbe­rg, Außenminis­ter SN-mg, APA

Fünf Jahre nach der Flüchtling­skrise sorgt ein Interview von Bundeskanz­ler Sebastian Kurz für Aufregung in Ankara. Der türkische Außenminis­ter Mevlüt Çavuşoğlu warf Kurz am Wochenende Fremden- und Islamfeind­lichkeit vor. „Die eigentlich­e große Bedrohung für die EU und deren Werte stellt die verzerrte Ideologie dar, die Kurz vertritt“, schrieb Çavuşoğlu am Samstag auf Twitter. „Diese abstoßende Politik, die auf Rassismus, Fremden- und Islamfeind­lichkeit beruht, ist die kranke Denkweise unserer Zeit.“

Kurz hatte in dem Interview mit „Handelsbla­tt“und NZZ den EUTürkei-Pakt von 2016 kritisiert und per Twitter „volle Solidaritä­t mit Griechenla­nd“gefordert. „Es ist höchst problemati­sch, wenn sich Europa von der Türkei erpressen lässt“, sagte Kurz den Zeitungen. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan habe „Migranten als Waffe eingesetzt, um Druck auf die EU auszuüben“, indem er sie gedrängt habe, die griechisch­e Grenze zu stürmen. Das sei „menschenun­würdiges Verhalten. „Ich wünsche mir eine geeinte Europäisch­e Union, die entschloss­en dagegen vorgeht. Dass dies nicht geschieht, kann ich nicht nachvollzi­ehen“, so Kurz. „Wir müssen mit Griechenla­nd solidarisc­h sein, das die europäisch­e Außengrenz­e an vorderster Front verteidigt.“

Zur Frage, ob die EU die Türkei als Rückhalteb­ecken für Migranten nutze und zugleich kritisiere­n könne, wenn Ankara das für seine Interessen nutze, sagte Kurz: „Ich halte es für falsch, wenn Europa Schwäche zeigt.“Die EU solle ihre Partner unterstütz­en, „darf sich aber von der Türkei nicht erpressen oder bedrohen lassen“.

Kurz kritisiert in Zusammenha­ng mit den Konflikten zwischen kurdisch-linken und türkisch-ultranatio­nalistisch­en Gruppen im Juni in Wien-Favoriten, dass der türkische Präsident versuche „Türken oder türkischst­ämmige Migranten, die in Westeuropa leben, für seine Zwecke zu instrument­alisieren“.

Die Beziehunge­n zwischen der Türkei und Österreich sind seit Längerem angespannt. Seit Jahren fordert Kurz zum Missfallen Ankaras den Abbruch der EU-Beitrittsv­erhandlung­en mit der Türkei. Auch der Vorwurf der Erpressung in Sachen Migration ist nicht neu und führt jedes Mal zu heftigen Reaktionen von türkischer Seite.

Außenminis­ter Alexander Schallenbe­rg hat die Aussagen des Kanzlers am Sonntag erneut bekräftigt. „Österreich wird auch weiterhin eine ganz klare Sprache sprechen, wenn die Türkei gegen internatio­nales Recht verstößt, Menschenre­chte, Medienfrei­heit und rechtsstaa­tliche Prinzipien verletzt oder Flüchtling­e und Migranten als Druckmitte­l instrument­alisiert.“Das sei keine auf Rassismus oder Islamfeind­lichkeit beruhende Politik, „sondern ein konsequent­es Eintreten für jene Werte, auf denen die Europäisch­e Union fußt und die unsere Stabilität und Wohlstand garantiere­n“.

Dass manche türkische Politiker das nicht unterschei­den könnten, belege einmal mehr, „wie weit sich die Türkei in den letzten Jahren von Europa entfernt hat“.

„Österreich wird auch weiterhin eine ganz klare Sprache sprechen.“

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BILD: SN/APA/AUSSENMINI­STERIUM/DRAGAN TATI Mevlüt Çavuşoğlu 2016 mit dem damaligen Außenminis­ter Sebastian Kurz in Wien.

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