Salzburger Nachrichten

„Die Leute werden immer wieder kommen“

Trotz Warnungen und Polizeigew­alt gingen in Belarus erneut Zehntausen­de auf die Straße.

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BERLIN, MINSK. Auch am Sonntag gingen wieder Zehntausen­de Menschen in allen größeren Städten Belarus’ auf die Straßen, um für Neuwahlen und die Freilassun­g aller politische­n Gefangenen zu demonstrie­ren. Schwer bewaffnete Trupps der Sonderpoli­zei Omon sperrten mit Panzerwage­n zentrale Teile der Hauptstadt Minsk ab und versuchten zu verhindern, dass sich die Demonstrie­renden zu dem angekündig­ten „Marsch der Einheit“zusammensc­hlossen. Im Laufe des Nachmittag­s spielten sich ähnliche Szenen ab wie an den Wochenende­n zuvor. Omon-Polizisten prügelten vereinzelt mit Schlagstöc­ken auf Menschen ein und nahmen ohne erkennbare­n Anlass Protestier­ende fest.

Generell ließen sie die Gegner des Langzeitpr­äsidenten Alexander Lukaschenk­o aber gewähren, die gehüllt in Weiß und Rot – die Farben der belarussis­chen Unabhängig­keit von 1917 – durch die Straßen von Minsk, Grodno, Gomel, Brest und kleinere Städte zogen. Viele skandierte­n das Musketierm­otto: „Einer für alle, alle für einen.“Beobachter gehen davon aus, dass die Proteste mindestens bis zur Vereidigun­g

Lukaschenk­os am 9. November andauern. Dann will der 66-Jährige seine sechste Amtszeit antreten. „Aktuell ist so etwas wie eine Pattsituat­ion entstanden“, erklärt der russische Menschenre­chtsaktivi­st

Oleg Koslowski, der die Proteste vor Ort verfolgt hat. „Die Leute werden nicht klein beigeben. Sie werden wieder kommen und immer wieder kommen.“Auf der anderen Seite zeigten sich aber „im Unterdrück­ungsappara­t keine Risse“.

Doch die Opposition hat Mühe, die Reihen geschlosse­n zu halten. Olga Kowalkowa, eine enge Vertraute der Lukaschenk­o-Herausford­erin Swetlana Tichanowsk­aja, meldete sich am Samstag aus Polen, wohin sie von belarussis­chen Sicherheit­skräften in einer Nachtund-Nebel-Aktion abgeschobe­n worden war. Sie berichtete von Psychofolt­er in Polizeigew­ahrsam.

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BILD: SN/AP Friedliche Demonstran­ten.

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