„Für Infrastrukturprojekte geht das Geld nicht aus“
Die Gemeinden verlieren in der Covid-Krise bisher 1,4 Milliarden Euro. Der Chef der Kommunalkredit, Bernd Fislage, ermutigt die Kommunalpolitiker dennoch, jetzt zu investieren.
SN: Der Staat muss alles, was er hat, in die Bewältigung der Covid-Krise stecken. Bleibt da nichts mehr für wichtige Infrastrukturprojekte?
Bernd Fislage: Das glaube ich nicht. Geld für solche Vorhaben ist immer vorhanden. Ein Grund dafür ist, dass wir im internationalen Wettbewerb eine Dienstleistungsgesellschaft sind. Wir können uns nur durch Wissen beweisen. Das heißt: Wir müssen Investitionen in die Infrastruktur von Wissen machen, ob das nun die Digitalisierung von Schulen ist oder die Vernetzung von Universitäten. Dazu brauchen wir für eine zunehmend dezentralisierte, globale Wirtschaft eine schnellere Kommunikation durch den Ausbau des Breitbands und von 5G. Auch dafür muss jetzt Geld da sein. Das gilt auch für die Sicherung der Kommunikation, für den Aufbau von Datenzentren oder für eine verstärkte nachhaltige Stromversorgung. Wir haben das große Ziel, den Klimawandel zu stoppen. Auch da muss investiert werden.
SN: Das Geld geht nicht aus?
Nein. Das Geld geht nicht aus. Das kann und muss ja nicht unbedingt der Staat liefern. Denn das könnte ja wirklich in einer Schuldenkrise enden mit steigender Inflation und steigenden Zinsen. Aber die Privaten haben Geld. Über sie kann man jetzt auch finanzieren.
SN: Es gibt gegen gar nicht wenige Projekte wie Wasseroder Windkraftwerke, Stromleitungen oder 5G-Masten massiven Bürgerwiderstand.
Wie soll man damit umgehen?
Ich zitiere einen deutschen Verhaltensforscher von den letzten Kommunalen Sommergesprächen in Bad Aussee. Der sagte, wir pflegten eine Kultur, in der viele Menschen von Haus aus zuerst einmal gegen alles seien. Egal, worum es sich handelt. Dazu kommt eine gewisse Vollkasko-Mentalität. Da wird es dann wirklich schwierig, Investitionen in einer notwendigen Geschwindigkeit umzusetzen. Genehmigungsverfahren sind wichtig. Die Bevölkerung muss gehört werden. Da gibt es freilich auch viele Widersprüche in sich. Wir wollen alle die völlige Transformation der Energieerzeugung in grüne Energie, aber gleichzeitig wollen wir weit und breit kein Windrad, keinen Strommast und keine Photovoltaikanlage sehen.
SN: Wie kann man aus diesem Dilemma rauskommen?
Die Regierung muss das der Bevölkerung erklären und für Verständnis werben. Sie muss aber gleichzeitig dafür sorgen, dass die Verfahren beschleunigt umgesetzt werden. Sonst diskutieren wir in zehn Jahren auch noch und werden am Ende nichts realisiert haben.
SN: Könnte man die Bürger nicht auch an der Energieerzeugung beteiligen? Photovoltaikanlagen haben einen Lebenszyklus von 20 bis 30 Jahren. Windkraftanlagen bestehen rund 30 Jahre, Brücken und Straßen noch länger. Für langfristige Anlagen bietet sich Infrastruktur geradezu an. Diese Projekte haben einen langen Lebenszyklus, erwirtschaften eine Rendite weit über der Rendite von Staatsanleihen. Als Bürger, der später einmal seine Pensionszuzahlung sicher haben möchte, kann man daher guten Gewissens in Infrastruktur investieren. Infrastruktur ist nachgefragt, sie ist krisensicher, sie ist nicht volatil und sie gibt mir eine Rendite, die über der Inflationsrate liegt.
SN: Versicherungen und Pensionsfonds haben die Infrastruktur gerade für sich entdeckt. Hält der Trend an?
Er wird signifikant steigen. Die Kommunalkredit hat selbst einen Infrastruktur-Debt-Fund sehr erfolgreich aufgelegt. Wir werden zwei weitere nachlegen. Und wir denken über Direktbeteiligungen der Bürger nach.
SN: Ihre Halbjahresbilanz kann sich sehen lassen. Die Investitionen sind im ersten Halbjahr gegenüber dem vergangenen trotz Corona nicht zurückgegangen. Woran liegt das?
Wir konzentrieren uns auf zwei Themen. Das eine ist die Finanzierung der öffentlichen Hand. Das andere ist die Finanzierung von Infrastruktur und Energie. Wir sind erst 2015 privatisiert worden und mussten keinen historischen Ballast mitschleppen. Aber im April ist auch unser Geschäft nahezu zum Erliegen gekommen. Die Nachfrage blieb aber exorbitant hoch, quer durch Europa, wo wir zu den führenden Investitionshäusern für Infrastruktur zählen. Bei unseren Projekten achten wir auch immer darauf, dass sie in sich genug Cash-Sicherheit haben. Dadurch haben wir keinen einzigen Ausfall zu verzeichnen. Alle Projekte sind gesund. Und wir sind sehr schnell. Das hilft uns.
SN: Wie geht es den österreichischen Gemeinden? Die verlieren durch die Krise allein heuer 1,4 Milliarden Steuergelder. Kann man ihnen noch helfen?
Wir haben 61 Prozent unserer Erträge im Infrastrukturbereich und 39 Prozent im Bereich der Gemeinden. Sie waren auch die Einzigen, die um Stundungen angefragt haben. Ihnen sind ja viele Einnahmen weggebrochen. Aber Kundenbeziehungen sind langfristig. Das sind unsere Partner. Wir stehen zu ihnen, auch wenn es ihnen momentan nicht gut geht. Am besten helfen wir, indem wir Investitionen vorfinanzieren. Ich appelliere an den Mut der Kommunalpolitiker, diese Investitionen jetzt zu machen. Alle brauchen sie.