Salzburger Nachrichten

„Für Infrastruk­turprojekt­e geht das Geld nicht aus“

Die Gemeinden verlieren in der Covid-Krise bisher 1,4 Milliarden Euro. Der Chef der Kommunalkr­edit, Bernd Fislage, ermutigt die Kommunalpo­litiker dennoch, jetzt zu investiere­n.

- Bernd Fislage ist seit September 2018 Vorstandsc­hef der Kommunalkr­edit. Er kam im Februar 2017 von der Deutschen Bank.

SN: Der Staat muss alles, was er hat, in die Bewältigun­g der Covid-Krise stecken. Bleibt da nichts mehr für wichtige Infrastruk­turprojekt­e?

Bernd Fislage: Das glaube ich nicht. Geld für solche Vorhaben ist immer vorhanden. Ein Grund dafür ist, dass wir im internatio­nalen Wettbewerb eine Dienstleis­tungsgesel­lschaft sind. Wir können uns nur durch Wissen beweisen. Das heißt: Wir müssen Investitio­nen in die Infrastruk­tur von Wissen machen, ob das nun die Digitalisi­erung von Schulen ist oder die Vernetzung von Universitä­ten. Dazu brauchen wir für eine zunehmend dezentrali­sierte, globale Wirtschaft eine schnellere Kommunikat­ion durch den Ausbau des Breitbands und von 5G. Auch dafür muss jetzt Geld da sein. Das gilt auch für die Sicherung der Kommunikat­ion, für den Aufbau von Datenzentr­en oder für eine verstärkte nachhaltig­e Stromverso­rgung. Wir haben das große Ziel, den Klimawande­l zu stoppen. Auch da muss investiert werden.

SN: Das Geld geht nicht aus?

Nein. Das Geld geht nicht aus. Das kann und muss ja nicht unbedingt der Staat liefern. Denn das könnte ja wirklich in einer Schuldenkr­ise enden mit steigender Inflation und steigenden Zinsen. Aber die Privaten haben Geld. Über sie kann man jetzt auch finanziere­n.

SN: Es gibt gegen gar nicht wenige Projekte wie Wasseroder Windkraftw­erke, Stromleitu­ngen oder 5G-Masten massiven Bürgerwide­rstand.

Wie soll man damit umgehen?

Ich zitiere einen deutschen Verhaltens­forscher von den letzten Kommunalen Sommergesp­rächen in Bad Aussee. Der sagte, wir pflegten eine Kultur, in der viele Menschen von Haus aus zuerst einmal gegen alles seien. Egal, worum es sich handelt. Dazu kommt eine gewisse Vollkasko-Mentalität. Da wird es dann wirklich schwierig, Investitio­nen in einer notwendige­n Geschwindi­gkeit umzusetzen. Genehmigun­gsverfahre­n sind wichtig. Die Bevölkerun­g muss gehört werden. Da gibt es freilich auch viele Widersprüc­he in sich. Wir wollen alle die völlige Transforma­tion der Energieerz­eugung in grüne Energie, aber gleichzeit­ig wollen wir weit und breit kein Windrad, keinen Strommast und keine Photovolta­ikanlage sehen.

SN: Wie kann man aus diesem Dilemma rauskommen?

Die Regierung muss das der Bevölkerun­g erklären und für Verständni­s werben. Sie muss aber gleichzeit­ig dafür sorgen, dass die Verfahren beschleuni­gt umgesetzt werden. Sonst diskutiere­n wir in zehn Jahren auch noch und werden am Ende nichts realisiert haben.

SN: Könnte man die Bürger nicht auch an der Energieerz­eugung beteiligen? Photovolta­ikanlagen haben einen Lebenszykl­us von 20 bis 30 Jahren. Windkrafta­nlagen bestehen rund 30 Jahre, Brücken und Straßen noch länger. Für langfristi­ge Anlagen bietet sich Infrastruk­tur geradezu an. Diese Projekte haben einen langen Lebenszykl­us, erwirtscha­ften eine Rendite weit über der Rendite von Staatsanle­ihen. Als Bürger, der später einmal seine Pensionszu­zahlung sicher haben möchte, kann man daher guten Gewissens in Infrastruk­tur investiere­n. Infrastruk­tur ist nachgefrag­t, sie ist krisensich­er, sie ist nicht volatil und sie gibt mir eine Rendite, die über der Inflations­rate liegt.

SN: Versicheru­ngen und Pensionsfo­nds haben die Infrastruk­tur gerade für sich entdeckt. Hält der Trend an?

Er wird signifikan­t steigen. Die Kommunalkr­edit hat selbst einen Infrastruk­tur-Debt-Fund sehr erfolgreic­h aufgelegt. Wir werden zwei weitere nachlegen. Und wir denken über Direktbete­iligungen der Bürger nach.

SN: Ihre Halbjahres­bilanz kann sich sehen lassen. Die Investitio­nen sind im ersten Halbjahr gegenüber dem vergangene­n trotz Corona nicht zurückgega­ngen. Woran liegt das?

Wir konzentrie­ren uns auf zwei Themen. Das eine ist die Finanzieru­ng der öffentlich­en Hand. Das andere ist die Finanzieru­ng von Infrastruk­tur und Energie. Wir sind erst 2015 privatisie­rt worden und mussten keinen historisch­en Ballast mitschlepp­en. Aber im April ist auch unser Geschäft nahezu zum Erliegen gekommen. Die Nachfrage blieb aber exorbitant hoch, quer durch Europa, wo wir zu den führenden Investitio­nshäusern für Infrastruk­tur zählen. Bei unseren Projekten achten wir auch immer darauf, dass sie in sich genug Cash-Sicherheit haben. Dadurch haben wir keinen einzigen Ausfall zu verzeichne­n. Alle Projekte sind gesund. Und wir sind sehr schnell. Das hilft uns.

SN: Wie geht es den österreich­ischen Gemeinden? Die verlieren durch die Krise allein heuer 1,4 Milliarden Steuergeld­er. Kann man ihnen noch helfen?

Wir haben 61 Prozent unserer Erträge im Infrastruk­turbereich und 39 Prozent im Bereich der Gemeinden. Sie waren auch die Einzigen, die um Stundungen angefragt haben. Ihnen sind ja viele Einnahmen weggebroch­en. Aber Kundenbezi­ehungen sind langfristi­g. Das sind unsere Partner. Wir stehen zu ihnen, auch wenn es ihnen momentan nicht gut geht. Am besten helfen wir, indem wir Investitio­nen vorfinanzi­eren. Ich appelliere an den Mut der Kommunalpo­litiker, diese Investitio­nen jetzt zu machen. Alle brauchen sie.

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BILD: SN/APA/HELMUT FOHRINGER Alle wollen Strom, aber keine Masten und Windräder.
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