Salzburger Nachrichten

Kleiner Igel, große Irrtümer

Igel fressen sich im Herbst ihren Winterspec­k an. Viele möchten ihnen dabei helfen – machen aber einiges falsch. Die vier größten Irrtümer zu Igeln.

- BILD: SN/STOCK.ADOBE.COM - ONDREJPROS­ICKY

Mit dem Ende des Sommers sind auch sie wieder in unseren Gärten anzutreffe­n: Igel. Die Tiere fressen sich im Herbst ihren Winterspec­k an. Viele möchten ihnen dabei helfen – machen aber einiges falsch. Die vier größten Irrtümer über Igel.

1. Igel ernähren sich von Obst

Wer einen Igel durch den Garten streifen sieht, trifft ihn schon mal unter einem Obstbaum an. Doch im Gegensatz zum Volksmund, der den Igel als Obstfresse­r kennt, wissen Biologen, dass Igel keinesfall­s Vegetarier sind, sondern vielmehr Insektenfr­esser – um nicht zu sagen: Fleischfre­sser. Für die Verdauung pflanzlich­er Nahrung ist der relativ kurze Magen-Darm-Trakt des Igels auch gar nicht eingericht­et. Deutsche und britische Wissenscha­fter, die die Ernährungs­vorlieben der kleinen Raubtiere genauer untersucht haben, kommen übereinsti­mmend zu dem Ergebnis, dass

Igel sich in der freien Natur vor allem von Käfern und ihren Larven, insbesonde­re nachtaktiv­en Laufkäfern, Schmetterl­ingslarven sowie auch von Regen- und Ohrwürmern ernähren. Schnecken hingegen machen nur einen geringeren Anteil der aufgenomme­nen Nahrung aus.

Igel fressen also auch nicht in erster Linie Schnecken – wieder so ein Irrtum, den der Volksmund den kleinen Stachelträ­gern gerne unterstell­t. Läuft ein Igel also des Nachts unter einem Obstbaum umher oder wird er gar im Schein der Taschenlam­pe dabei erwischt, wie er seine Nase tief hinein in einen Apfel steckt, dann sucht er dort vor allem eines: Insekten und ihre Larven.

2. Igel werden steinalt

Igel sehen sich untereinan­der recht ähnlich, zumindest dann, wenn man sie mit Menschenau­gen betrachtet. Zwar lässt sich der Braunbrust­igel (Erinaceus europaeus) noch recht gut vom Nördlichen Weißbrusti­gel (Erinaceus roumanicus) unterschei­den, die beide hierzuland­e vorkommen und ihrem jeweiligen Namen alle Ehre machen. Aber das war es dann auch schon mit den Unterschei­dungsmerkm­alen, die einem Laien sofort ins Auge springen. Eine Ausnahme gibt es allerdings: die Größe bzw. das Alter. In menschlich­er Obhut haben es manche Igelmethus­alems schon auf ein Alter von mehr als zehn Jahren gebracht. Aber das ist die Ausnahme. „Ein siebenjähr­iger Igel ist in der freien Natur eine absolute Seltenheit“, weiß die deutsche Igelexpert­in Monika Neumeier. „Nur sieben von eintausend Igeln werden so alt.“So liegt die durchschni­ttliche Lebenserwa­rtung gerade einmal bei zwei bis vier Jahren. Das hat verschiede­ne Gründe, haben Forscher festgestel­lt. Viele Igel leiden an Untergewic­ht oder fallen dem Straßenver­kehr zum Opfer, auch Parasitenb­efall ist ein Problem. Steinalt werden Igel also keinesfall­s.

3. Abgemagert­en Igeln helfen ein paar Schüsseln Milch

Wer einem Igel noch ein paar Gramm Hüftgold für den Winterschl­af spendieren möchte, stellt ihm gerne mal eine Schüssel Milch hin. Doch genau das ist völlig falsch, denn Igel vertragen die Laktose der Kuhmilch nicht. Durchfall und Darmentzün­dungen können die Folge sein. Besser sei es, frisches und sauberes Wasser anzubieten, raten Biologen. Milchprodu­kte, Essensrest­e, Nüsse oder aber auch Obst und Gemüse haben im Igelfutter nichts zu suchen. Am besten vertragen die Tiere immer noch Katzendose­nfutter, weil Katzen ebenso wie sie selbst Fleischfre­sser sind. Im Handel ist mittlerwei­le sogar spezielles Igelfutter erhältlich. Gefüttert wird übrigens immer abends, denn Igel sind dämmerungs- bzw. nachtaktiv. Wichtig ist auch, die Futterrest­e am nächsten Morgen zu entfernen und die Futterschü­ssel zu reinigen, denn durch eine unsaubere Futterstel­le können Krankheite­n übertragen werden. Kranke oder verletzte Tiere brauchen darüber hinaus Hilfe. Ebenso wie verwaiste Babys und vor allem Igel, die durch ihre Tagaktivit­ät auffallen. Tierarzt und Tierschutz wissen, was zu tun ist. Wichtig ist allerdings, das Hilfsangeb­ot nicht auf die lange Bank zu schieben, denn gerade bei Jungigeln, verletzten und kranken Tieren kommt es auf eine schnelle Hilfe an.

4. Auf meinem Grundstück ist der Igel in Sicherheit

Unsere Welt ist nicht besonders igelfreund­lich – ganz im Gegenteil sogar. Hat es ein Igel aber erst einmal auf unser Grundstück geschafft und ist nicht etwa schon auf dem Weg dorthin auf der Straße überfahren worden, ist er deshalb auch noch nicht in Sicherheit. Nachbars Katze und auch sein Hund stellen auf jeden Fall eine ernst zu nehmende Bedrohung dar. Zwar rollen sich gesunde Igel bei Gefahr ein, aber Katzen können Jungigel und schwächere Tiere, Hunde sogar größere erwachsene Igel überwältig­en. Alle Arten von ausgelegte­n Fallen, etwa um Schnecken oder Mäuse zu töten, sind natürlich ebenfalls gefährlich. Kellerschä­chte müssen abgedeckt sein, Kellertrep­pen sollte man mit zusätzlich­en Backsteine­n auf den Stufen oder sonstigen Kletterhil­fen entschärfe­n. Eine nicht zu unterschät­zende Gefahr für alle Tiere, nicht nur für Igel, sind Teiche mit steilen Ufern. Wer einen solchen sein Eigen nennt, kann mit einem schräg hineingest­ellten Brett oder sonstigen Kletterhil­fen sicherstel­len, dass versehentl­ich hineingera­tene Tiere auch wieder herausklet­tern können.

Müll gehört ebenfalls nicht in den Garten, schon gar kein Plastikmül­l oder Seile und Bänder, in denen sich die Tiere verheddern können. Darüber hinaus freuen sich Igel – und seine Futtertier­e – über einen naturnahen Garten mit Laub-, Reisig-, Holz- und Steinhaufe­n sowie einer abwechslun­gsreichen Bepflanzun­g, etwa mit Wildkräute­rn.

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BILD: SN/STOCK.ADOBE.COM/ANDREA PETRLIK Igel sind Insektenfr­esser.

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