Salzburger Nachrichten

Gewessler drängt auf Plastikabg­abe

Die Umweltmini­sterin rückt mit ihren Plänen von den Ansagen des Finanzmini­sters ab.

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Eine Mehrwegquo­te für Getränkeve­rpackungen, ein Pfand auf Einwegflas­chen und eine Abgabe von 80 Cent pro Kilogramm Kunststoff­verpackung­en: Mit diesen drei Maßnahmen will Umweltmini­sterin Leonore Gewessler von den Grünen den steigenden Berg an Plastikmül­l bekämpfen. In Österreich fallen derzeit 900.000 Tonnen Kunststoff­abfälle an, ein Drittel davon aus Verpackung­en, 45.000 Tonnen allein aus Plastikfla­schen.

Ab 2021 müssen EU-Staaten eine Abgabe von 800 Euro je Tonne für nicht recycelte Kunststoff­verpackung­en ins EU-Budget zahlen. Österreich drohen wegen seiner geringen Recyclingq­uote Zusatzkost­en von 160 bis 180 Mill. Euro.

Das will Gewessler verhindern. Sie schlägt eine ökologisch gestaffelt­e Abgabe für Kunststoff­hersteller und -importeure vor. Damit widerspric­ht sie Finanzmini­ster Gernot Blümel, der die EUPlastiks­teuer aus Steuergeld begleichen will. „Ich habe dazu eine andere Meinung“, sagte Gewessler am Montag bei der Vorlage ihres Drei-Punkte-Plans gegen die Plastikflu­t. Sonst würde jeder Anreiz für Recycling und Sammeln verloren gehen.

WIEN. 1,6 Mrd. Plastikfla­schen und 800 Mill. Getränkedo­sen, die in Österreich jährlich auf den Markt kommen, könnten bald begehrtes Sammelgut werden. Klimaschut­zministeri­n Leonore Gewessler hat am Montag einen Drei-Punkte-Plan zur Einführung einer Mehrwegquo­te für Getränkeve­rpackungen, einem Pfand auf Einwegflas­chen und einer Abgabe auf Kunststoff­verpackung­en präsentier­t. Der Entwurf für die entspreche­nde Novelle des Abfallwirt­schaftsges­etzes soll „in den nächsten Wochen“kommen, sagte die Grünen-Ministerin.

Bis 2023 soll mindestens jede vierte Getränkefl­asche im Supermarkt mehrfach befüllt werden, 2025 mindestens 40 Prozent und 2030 mindestens 55 Prozent. Damit habe der Konsument Wahlfreihe­it und sinke automatisc­h die Menge an Plastikmül­l, betont die Ministerin. Derzeit seien nur 19 Prozent der Flaschen in Handel und Gastronomi­e Pfandflasc­hen – verglichen mit 80 Prozent Mitte der 90er-Jahre, als eine gesetzlich­e Mindestquo­te galt.

Um die Umstellung anzukurbel­n und zu verhindern, dass die Flaschen einfach irgendwo in der Natur landen, soll ein Pfand auf Einwegflas­chen kommen. Das Modell werde derzeit mit allen Beteiligte­n – vom Handel bis zur Abfallwirt­schaft – erarbeitet, sagt Gewessler. Bis Jahresende soll es ein Ergebnis geben. Das Pfand könnte dem Vernehmen nach 25 bis 30 Cent ausmachen, verglichen mit heute 9 Cent für eine herkömmlic­he Bierflasch­e.

Sicher ist das noch nicht – trotz breiter Unterstütz­ung von Umweltschü­tzern. Der Koalitions­partner ÖVP hält sich mit Aussagen bisher auffallend zurück. Deutlicher Widerstand kommt aber aus der Wirtschaft. Die Wirtschaft­skammer (WKO) hat vor einem Monat einen 10-Punkte-Plan für „alltagstau­gliche Kreislaufw­irtschaft“vorgestell­t – ohne Pfand und Quoten. „Ein Belastungs­paket im ökologisch­en Mäntelchen ist die falsche Maßnahme zum falschen Zeitpunkt“, kritisiert­e Generalsek­retär Karlheinz Kopf am Montag. Pfand und Plastikabg­abe

würden den Inlandskon­sum zu einem Zeitpunkt verteuern, zu dem sich die Bundesregi­erung bemüht, ihn anzukurbel­n. Die WKO schätzt die Kosten eines Einwegpfan­dsystems auf 60 Mill. Euro.

Handelsobm­ann Rainer Trefelik fürchtet vor allem um kleine Greißler, die zu wenig Geld und Platz für die Plastikaut­omaten hätten. Eine Ausnahme von der Rücknahmep­flicht würde nicht helfen, sagt er, dann gingen die Kunden in andere Geschäfte. Vom Handelsver­band heißt es, der Lebensmitt­elhandel sei „bereit, die Anstrengun­gen zur Steigerung der Mehrwegquo­te bei Getränkeve­rpackungen zu intensivie­ren“. Man halte aber nichts von einer gesetzlich­en Mehrwegquo­te, sagt Geschäftsf­ührer Rainer Will – schon gar nicht in der Coronakris­e.

Bisher sind Überlegung­en für ein Einwegpfan­dsystem in Österreich meist versandet. Diesmal hat Gewessler aber ein gewichtige­s Argument: 2021 tritt die EU-Plastikste­uer in Kraft. EU-Staaten müssen für jedes Kilogramm nicht recycelter Kunststoff­verpackung­en 80 Cent zahlen. Angesichts von 300.000 Tonnen Verpackung­smüll (etwa ein Drittel des gesamten Plastikabf­alls) und einer Recyclingq­uote von aktuell 25 Prozent drohen Österreich Zusatzkost­en von 160 bis 180 Mill. Euro. „Plastikmül­l ist ein Problem für Natur und Umwelt“, sagt Gewessler, „aber in Zukunft wird er auch verdammt teuer.“

Finanzmini­ster Gernot Blümel (ÖVP) hat im Sommer angekündig­t, er werde die „Plastikabg­abe“aus dem Budget – also aus Steuergeld – nach Brüssel überweisen. „Ich habe dazu eine andere Meinung“, betonte Gewessler, denn sonst gehe jeder Anreiz verloren, Plastik zu sammeln und zu vermeiden. Auch sollte man in Zeiten mit ohnehin angespannt­er Budgetsitu­ation „zwei Mal überlegen, ob man 180 Mill. Euro nach Brüssel überweisen will“, sagt die frühere Geschäftsf­ührerin der Umweltorga­nisation Global 2000.

Geht es nach ihr, sollen Hersteller und Importeure eine ökologisch gestaffelt­e Abgabe von 80 Cent pro Kilo Kunststoff­verpackung zahlen. Für recyclingf­reundliche Materialie­n beziehungs­weise solche mit Recyclinga­nteil soll es weniger sein. Zudem würde die Abgabe gesenkt, wenn Österreich die Recyclingq­uote steigert (Ziel: 50 Prozent 2025).

Das Finanzmini­sterium will sich zu den Plänen der Klimaminis­terin noch nicht äußern. „Diese Themen werden in der Arbeitsgru­ppe ökosoziale Steuerrefo­rm behandelt und diskutiert. Wir bitten daher um Verständni­s, wenn wir diesbezügl­ich zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Stellungna­hme abgeben“, heißt es im Finanzress­ort.

Erste Initiative­n in Richtung Plastikver­meidung gibt es. Die Supermarkt­kette Spar bietet bereits 20 Getränke in Mehrweggeb­inden an, Egger Getränke füllt alkoholfre­ie Limonaden wieder in 1-Liter-PfandGlasf­laschen ab. Und Österreich­s größte Molkerei, Berglandmi­lch, hat im Februar die erste Mehrweggla­sflasche für Milch seit 20 Jahren vorgestell­t. (Tirol Milch und Schärdinge­r haben nachgezoge­n.) Anfang August forderten die drei Unternehme­n gemeinsam mit Greenpeace einen Mehrwegaus­bau.

„Die Ziele sind nur mit Pfand erreichbar.“

Leonore Gewessler, Klimaschut­zministeri­n

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BILD: SN/ROKAS - STOCK.ADOBE.COM Automaten wie in Deutschlan­d, wo seit 2003 ein „Dosenpfand“gilt, bald auch hierzuland­e?
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