Griss ums Biokistl, Engpass bei Bioeiern
Pandemie ließ viele den Stellenwert von Lebensmitteln neu entdecken.
WIEN. Der Appetit von Herrn und Frau Österreicher auf Biolebensmittel hat sich in der Zeit der Coronakrise verstärkt. Für das erste Halbjahr 2020 meldet die Agrarmarkt Austria (AMA) zweistellige Zuwachsraten bei Menge und Umsatz. Im ersten Halbjahr 2020 verkaufte der Einzelhandel 96.723 Tonnen Biolebensmittel, das ist gegenüber dem Vorjahreszeitraum ein Plus von 14,4 Prozent. Noch stärker gestiegen sind die Ausgaben für Bioprodukte, nämlich um fast 20 Prozent auf 356,3 Millionen Euro – das sind durchschnittlich 97,33 Euro je Haushalt. Über alle Vertriebskanäle hinweg erzielten Bioprodukte 2019 erstmals mehr als zwei Mrd. Euro Umsatz.
Die Pandemie habe „Essen und Trinken ins Zentrum des Interesses gerückt“, sagt AMAMarketing-Geschäftsführer Michael Blass, die Wertschätzung qualitativ hochwertiger und regionaler Lebensmittel sei damit gestiegen. Die Steigerungen betreffen fast das gesamte Sortiment, am stärksten fielen sie bei Kartoffeln, Frischgemüse sowie Fleisch und Geflügel aus. Am höchsten ist der Bioanteil bei Milch (21,5 Prozent), Fruchtjoghurt (16,5 Prozent) und bei Eiern – die im ersten Halbjahr allerdings einen Rückgang von 21,3 auf 19,4 Prozent hinnehmen mussten. Grund: Die Produktion konnte zeitweise mit der sprunghaft gestiegenen Nachfrage (plus 30 Prozent) nicht Schritt halten, weshalb sich viele Käufer mit konventioneller Ware begnügten.
Oder aber sie bedienten sich anderer Vertriebskanäle. Gertraud Grabmann, die Obfrau von Bio Austria, spricht von einer „Renaissance der bäuerlichen Nahversorger“samt Hofläden, Bauernmärkten, Webshops und Automaten. Das „Biokistl“– ein regelmäßig zugestelltes Sortiment von biologisch angebautem Obst und Gemüse – verzeichnete einen derartigen Ansturm, dass Neuabonnenten abgelehnt werden mussten.
Das Ausweichen auf andere Vertriebsformen erklärt auch das Paradoxon, dass Menschen zur Zeit der schärfsten Anti-Corona-Maßnahmen zwar regionale und biologische Lebensmittel neu schätzen gelernt haben, zugleich aber der Bioanteil der im Supermarkt gekauften Produkte leicht zurückging. Ein weiterer Grund liegt im coronabedingt schmaleren Haushaltsbudget vieler Menschen aufgrund von Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit.
Aktuell bewirtschaften in Österreich 24.225 Höfe insgesamt 669.921 Hektar nach Biokriterien, das sind 22 Prozent der Landwirte und gut ein Viertel der Ackerfläche. Nirgendwo sonst habe Bio einen derart hohen Stellenwert wie in Österreich, heißt es bei der AMA. Steigerungspotenzial sieht man aber bei der Versorgung von
Großküchen, Kantinen sowie in der Gastronomie.