Türkische Vereine im Visier der Finanz
Beamte beanstanden Statuten und glauben, dass Millionen Euro an Steuern nicht gezahlt wurden. Die türkisch-islamischen Vereine weisen die Vorwürfe zurück. Zirka 80 von ihnen könnte die Gemeinnützigkeit aberkannt werden.
Die Finanz hat türkisch-islamische Vereine in ganz Österreich überprüft. Es besteht der Verdacht, dass sie unter dem Mantel der Gemeinnützigkeit eine rege steuerfreie Geschäftstätigkeit ausgeübt haben. So sollen sie etwa Lokale geführt, Reisen organisiert oder Friseursalons betrieben haben. Das Finanzministerium rechnet, dass es zu Steuernachforderungen in Millionenhöhe kommen könnte, und von den 211 in ganz Österreich unter die Lupe genommenen Vereinen sollen 40 Prozent den Status der Gemeinnützigkeit verlieren. Zum Vergleich: Bei bisherigen Kontrollen lag dieser Prozentsatz bei etwa 1,5 Prozent.
Zwei muslimische Dachvereine, der ATIB und die Islamische Föderation
(IFW), weisen darauf hin, dass sie bisher noch keine Bescheide erhalten haben, und sprachen von einer „Vorverurteilung“.
Die Kontrollen starteten im Jahr 2019. Auslöser war das Kultusamt. Es wollte wissen, ob die Vereine von vier Dachverbänden Spenden aus dem Ausland erhalten haben. Das ist in Österreich verboten. Und zwar seit dem Jahr 2015 durch eine Änderung des Islamgesetzes. Dadurch soll verhindert werden, dass Prediger, die von ausländischen Staaten entsandt und finanziert werden, radikale Ideen in den österreichischen Moscheen verbreiten.
Bei den Kontrollen ist den Finanzbeamten neben den fehlenden Belegen auch aufgefallen, dass in vielen Statuten der kontrollierten
Vereine immer der gleiche Passus angeführt war, der Kapitalabflüsse von Österreich in Stiftungen in der Türkei ermöglichte. Rechtlich muss aber bei Auflösung des Vereins das vorhandene Kapital in Österreich bleiben. „Wenn hier Konstruktionen gewählt werden, damit Geld aus Österreich ins Ausland abfließen kann, ist das nicht in Ordnung“, sagte Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP). Angeblich soll das Geld an eine religiöse Stiftung in der Türkei gehen.
Aufgrund der Wortgleichheit in den Vereinsstatuten gehen die Ermittler hier von einem bewussten System aus. „All diese Mängel und Ungereimtheiten zeigen, dass die steuerlichen Begünstigungen durch die angebliche Gemeinnützigkeit in vielen Fällen nicht gerechtfertigt waren“, so der Finanzminister. Bereits 2019 sei ein betroffener Dachverband darauf hingewiesen worden, dass dieser Passus nicht der Gemeinnützigkeit entspricht. Bei den Vereinen wurde jedoch keine Adaptierung durchgeführt.
„Dass türkisch-islamische Vereine in Österreich bewusst Konstruktionen wählen, um an den österreichischen Gesetzen vorbei zu agieren, muss mit der vollen Härte des Gesetzes unterbunden werden“, erklärte Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP). „Die jetzt aufgedeckten Machenschaften zeigen einmal mehr, wie wichtig das lückenlose Aufdecken dieser Vereinsnetzwerke ist.“
Derzeit werden mit den betroffenen Vereinen die Ergebnisse der Prüfung besprochen, dabei wird ihnen auch mitgeteilt, dass die Gemeinnützigkeit aberkannt wird, heißt es aus dem Finanzministerium.