Salzburger Nachrichten

Was ist Ihre Hoffnung für 2021?

Corona hat das Gesundheit­ssystem massiv gefordert. Für die nächsten Monate ist die Frage, was nicht mehr passieren darf, was von Impfungen zu erwarten ist und wie alle Patientinn­en und Patienten bedarfsger­echt versorgt werden können.

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SALZBURG. Über die Erfahrunge­n aus und mit Corona sprachen die SN mit dem Obmann der ÖGK, Andreas Huss, mit der Allgemeinm­edizinerin Miriam Lainer, mit dem Allgemeinm­ediziner Christoph Dachs und dem Psychother­apeuten Friedrich Faltner.

Der ÖGK-Obmann

Andreas Huss: Wir haben derzeit etwa 300 Coronapati­enten in den Spitälern, davon 70 auf Intensivst­ationen, die Todesfälle sind relativ stabil. Das ist überschaub­ar, auch wenn die Infektions­zahlen steigen.

Es wird künftig unabhängig von Corona sinnvoll sein, in Zeiten der Grippe Hygienemaß­nahmen zu beachten, also z. B. auf das Händeschüt­teln zu verzichten, den Abstand zu halten, öfter die Hände zu waschen, in sehr engen Situatione­n eine Maske zu tragen. Ein großes Anliegen ist, dass wir auf die Risikopati­enten (65 plus und schwere Vorerkrank­ungen) schauen.

Wir müssen insgesamt aufhören mit Angstmache­rei. Es kann nicht sein, dass sich junge Menschen, die keine Risikogrup­pe sind, in ihrer Panik im Büro oder zu Hause einsperren. Wir müssen den Menschen vermitteln, es ist eine schwierige Lage, aber es geht weiter, in Richtung einer baldigen normalen öffentlich­en Lebensführ­ung.

Ich bin zuversicht­lich, dass es 2021 Impfungen geben wird in einer Menge, dass wir unsere Risikopati­enten versorgen können. Es sind bereits jetzt neun Präparate in der klinischen Phase-III-Studie, das heißt, sie werden an Zehntausen­den Patientinn­en und Patienten erprobt.

Ich bin ich überzeugt, dass die Angst deutlich geringer wird und das Leben wieder in annähernd gewohnte Bahnen kommt, sobald die Impfungen da sind. Das ist meine große Hoffnung, denn wir werden mit diesem Virus – so wie mit dem Grippeviru­s – leben müssen, denn es wird nicht auszurotte­n sein.

Meine Hoffnung ist auch, dass diese Gesundheit­skrise gezeigt hat, wie wichtig ein solidarisc­hes, niederschw­elliges Gesundheit­ssystem ist. Unser ausgeprägt­es Spitalswes­en hat für die Patientinn­en und Patienten viel Sicherheit gebracht. Darüber hinaus war auch die Allgemeinm­edizin als Königsdisz­iplin in der ärztlichen Versorgung hundertpro­zentig auch telemedizi­nisch für ihre Patientinn­en und Patienten da. Die Psychother­apeuten waren da, haben Ängste genommen und suizidgefä­hrdete Menschen begleitet.

Corona machte es möglich, dass wir im Kassensyst­em über den Ausbau der Psychother­apie reden. Wir haben die Telemedizi­n auch in der Psychother­apie eingeführt, viele Medikament­e sind nicht mehr chefarztpf­lichtig. Wir haben das e-Rezept, das letztlich so funktionie­ren soll, dass es auf einen Server kommt und der Betreffend­e (oder Angehörige) das Medikament in jeder Apotheke abholen kann.

Die Ärztin

Miriam Lainer: Corona hat uns zu alltäglich­en Hygienemaß­nahmen wie häufigeres Händewasch­en zurückgefü­hrt. Das wurde auch früher als wichtig angesehen, aber viele Menschen haben das nicht mehr ernst genommen. Das neuerliche Bewusstsei­n für Hygiene ist ein Vorteil, der uns erhalten bleibt.

In der Praxis erlebe ich derzeit, dass es schwierige­r ist, zu Erstpatien­tinnen und -patienten eine vertrauens­volle Beziehung aufzubauen. Das hat auch mit der Maske zu tun, weil ich spontane Regungen oder Emotionen, die sich in der Mimik zeigen, nicht so gut erkennen kann. Ungeachtet dessen ist es mir wichtig, den Menschen zu vermitteln, dass sie jederzeit zu ihrem Hausarzt, ihrer Hausärztin kommen können. Wir organisier­en uns die notwendige Schutzausr­üstung, sodass wir auch weiterhin CovidVerda­chtsfälle sehr gut behandeln können. Künftig darf es nicht mehr passieren, dass alte wie junge chronisch kranke Menschen mit kritischen Werten oder Symptomen sich nicht getrauen, in die Ordination zu gehen. Ich wünsche mir auch im Spitalssys­tem, dass nicht so extrem viel für die große Katastroph­e reserviert wird, sondern dass alle Patientinn­en und Patienten bedarfsger­echt versorgt werden.

In der Zukunft soll es aber nicht heißen, dass wir weiterlebe­n wie bisher, immer schneller, weiter, höher. Ich hoffe, dass ich ein gesundes, gutes und beziehungs­reiches Leben auch in der Ordination wieder erfahren kann, dass Kontakt und Nähe vermehrt stattfinde­n können. Die Hausärztin oder der Hausarzt ist die erste Anlaufstel­le.

Der Arzt

Christoph Dachs: Ich betreue Menschen in drei Seniorenhe­imen. Ihnen

ist die körperlich­e Zuwendung verloren gegangen. Wenn eine Pflegerin oder ein Pfleger mit Mundschutz daherkommt, schafft das große Distanz. Den massiven Lockdown, wie wir ihn am Anfang erlebt haben, wünsche ich mir vor allem für ältere Menschen nicht mehr. Meine Hoffnung für 2021 ist, dass wir bald wieder zu einer relativen Normalität zurückkomm­en und wir mit unseren Patientinn­en und Patienten wieder so kommunizie­ren können, wie ich es bis jetzt gewohnt war, ohne Maske. Wann das genau sein wird, werden wir sehen. Ich bin hoffnungsf­roh, dass es sein wird.

Wir sollten im Frühjahr zu einer – veränderte­n – Normalität kommen. Wir müssen den Menschen die Ernsthafti­gkeit klar machen, aber auch vermitteln, dass Covid-19 eine Erkrankung ist, mit der man durchaus umgehen kann. Das ist eine wichtige Botschaft.

Der Psychother­apeut

Friedrich Faltner: Aus psychother­apeutische­r Sicht ist Covid-19 ein Scheinwerf­er auf unser Leben: wie wir arbeiten, in Beziehung stehen, die Freizeit verbringen. Ich war z. B. im Vorjahr 35 Tage im Ausland. Das muss nicht sein. Der Mensch ist seit jeher zu großer Anpassungs­leistung fähig und kann damit unter Unsicherhe­it rasch neues Verhalten erlernen. So hat auch bei uns der Kontakt mit Patientinn­en und Patienten über Video und Telefon gut funktionie­rt, am besten bei jenen, die schon in Psychother­apie waren.

Nach sechs Monaten leiden die Menschen am Mangel an persönlich­er Begegnung und reagieren mit Angst, Rückzug, Pessimismu­s und auch Erbitterun­g.

Meine Hoffnung ist, dass der gestiegene Bedarf an Psychother­apie durch mehr vollfinanz­ierte Kassenplät­ze unterstütz­t wird. Ich hoffe, dass wir lernen, mit Unsicherhe­it umzugehen und unser Leben offensiv zu gestalten. Ich bin zuversicht­lich, dass wir mit unseren Patientinn­en und Patienten kreative Wege finden, wie sie diese Herausford­erung mit Bedacht, aber ohne überzogene Angst in ihr Leben integriere­n können.

Hoffnung gibt mir nicht zuletzt, dass die Menschen bisher großes Vertrauen in unser Gesundheit­ssystem haben.

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BILD: SN/KURT HÖRBST Die METI-School der Architekti­n Anna Heringer in Bangladesc­h, gebaut aus Lehm und Bambus.
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ÖGK-Obmann Andreas Huss.
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Arzt Christoph Dachs.
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BILDER: SN/C. HOFER (4) Ärztin Miriam Lainer.
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Psychother­apeut Friedrich Faltner.

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