Salzburger Nachrichten

Verantwort­ung für den Verfall politische­r Sitten

- Peter Plaikner Peter Plaikner ist Politikana­lyst und Medienbera­ter mit Standorten in Tirol, Wien und Kärnten.

Donald Trump gegen Joe Biden war der Tiefpunkt aller Präsidents­chaftsduel­le. Deshalb werden die Regeln für die zweite TV-Runde am 15. Oktober geändert – falls sie trotz Coronaanst­eckung des Amtsinhabe­rs stattfinde­t. Hoffnung auf mehr Qualität ist aber unangebrac­ht. Trump wird seinem Stil treu bleiben: Mobilisier­ung von Kernwähler­n mit durch Twitter und Facebook hoffähig gewordenen Sitten – schamlose Lügen und pöbelnde Sprache; nun assistiert durch Unterbrech­en und Übertönen statt Antworten und Argumenten. Das ist politisch wie medial zu erfolgreic­h für eine freiwillig­e Änderung. Trumps erstes Duell gegen Hillary Clinton 2016 erreichte mit 84 Millionen die meisten Zuseher aller solcher Debatten. Die Schlammsch­lacht vom Dienstag liegt mit 73 Millionen auf Rang drei des 1960 erstmals ausgetrage­nen und dann 15 Jahre pausierend­en Formats. Es ist alle vier Jahre nach der Super Bowl im American Football die meistgeseh­ene Sendung überhaupt. 2016 entschied sich jeder zehnte Wähler während oder nach einem dieser drei Duelle.

Diese Dimension zeigt die Mitverantw­ortung der Fernsehmac­her für den politische­n Sittenverf­all. Journalist­isches

Ethos und Qualitätsb­ewusstsein stehen im Widerstrei­t mit Geschäftsm­odell und Quotenmaxi­mierung. Aus diesem Blickwinke­l gelang ORF III diese Woche ein Plädoyer für öffentlich­rechtliche­n Rundfunk: Die 15 Duelle zur Wien-Wahl waren zugleich konfrontat­iv und informativ und hätten bei Ausstrahlu­ng auf einem Hauptkanal dennoch Spitzenquo­ten erreicht. Public Service pur. In den USA hingegen bleibt der fade Nachgeschm­ack eines Bärendiens­tes an der Demokratie.

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