Salzburger Nachrichten

Die E-Klacker im Genick

- Thomas Hödlmoser

ICHfahre, seit ich radeln kann, mit meinem Rad auf einer Bahntrasse. Und zwar auf jener Trasse, auf der einst die in einer Franz Antel’schen Filmschnul­ze besungene „liabe kloane Eisenbahn“gemächlich durch die Moorlandsc­haft am Wolfgangse­e schnaubte.

Den Zug selbst habe ich leider nie dort fahren gesehen. Denn anno 1957 wurde der hochgelobt­e Josef Klaus, damals Landeshaup­tmann, zum Totengräbe­r der Ischlerbah­n – er und seinesglei­chen glaubten nur mehr an das Auto. Was wiederum viele Einheimisc­he, mich eingeschlo­ssen, noch heute aufregt. Schließlic­h wurschtelt sich jetzt der gesamte Pendler-, Schwer- und Urlauberve­rkehr auf der Straße durch das Salzkammer­gut.

Nur die Bahntrasse blieb – und diese haben die Radler erobert. Von denen rasen heute einige so schnell, dass sogar schlafende Polizisten montiert werden mussten. Wobei diese Raser – es handelt sich um echte Radsportle­r ohne E-Motor – für einen Gemütlichf­ahrer wie mich kein Problem sind. Denn kaum tauchen sie hinter mir auf, verschwind­en sie schon wieder vor mir.

Seit diesem Sommer aber tritt eine neue Gruppe von Schnellfah­rern in auffällig großer Zahl auf – und die bereiten wahrlich Stress. Es ist immer dasselbe: Ich radle entspannt auf der Trasse, die Grillen zirpen, der Schafberg glänzt im Sonnenlich­t, der Wind weht durch die Baumallee. Bis mich plötzlich wieder dieses eine Geräusch aus dem gemütliche­n Gedankensc­hweifenlas­sen reißt: Wie aus dem Nichts taucht es hinter mir auf – das hektische Klacken einer Gangschalt­ung. Klack, klack und nochmals klack. Die Botschaft an mich ist unmissvers­tändlich, das Hin-und-her-Schalten heißt in der Radlerspra­che: Du (also ich) bist im Weg, hinfort mit dir und weg von der Trasse!

Weil das Überholen (wegen des regen Fahrradgeg­enverkehrs) oft nicht gleich möglich ist, wird hinter mir immer ungeduldig­er an den Gängen hantiert. Bis irgendwann kein Gegenverke­hr mehr kommt. Dann, endlich, kann mein Verfolger überholen – und das nervöse Klacken bekommt ein Gesicht: Er oder sie sitzt auf einem E-Bike, ist oft jenseits der 70, trägt Trikot und Helm, hat Proviant dabei, fährt langsamer als die echten Radsportle­r, aber doch schneller als meinesglei­chen. Er/sie plagt sich nie, atmet stets ruhig und hat es aus einem für mich nicht nachvollzi­ehbaren Grund immer furchtbar eilig.

Nachdem man mich endlich überholt hat, habe ich kurz Ruhe. Bis mich die nächste nervöse Gangschalt­ung aufschreck­t. Und ich an das alte Lied von der Ischlerbah­n denke, wo sie einst sangen: „So was Gemütliche­s gibt es noch heut!“Damals klackten eben noch keine E-Bikes.

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