Die E-Klacker im Genick
ICHfahre, seit ich radeln kann, mit meinem Rad auf einer Bahntrasse. Und zwar auf jener Trasse, auf der einst die in einer Franz Antel’schen Filmschnulze besungene „liabe kloane Eisenbahn“gemächlich durch die Moorlandschaft am Wolfgangsee schnaubte.
Den Zug selbst habe ich leider nie dort fahren gesehen. Denn anno 1957 wurde der hochgelobte Josef Klaus, damals Landeshauptmann, zum Totengräber der Ischlerbahn – er und seinesgleichen glaubten nur mehr an das Auto. Was wiederum viele Einheimische, mich eingeschlossen, noch heute aufregt. Schließlich wurschtelt sich jetzt der gesamte Pendler-, Schwer- und Urlauberverkehr auf der Straße durch das Salzkammergut.
Nur die Bahntrasse blieb – und diese haben die Radler erobert. Von denen rasen heute einige so schnell, dass sogar schlafende Polizisten montiert werden mussten. Wobei diese Raser – es handelt sich um echte Radsportler ohne E-Motor – für einen Gemütlichfahrer wie mich kein Problem sind. Denn kaum tauchen sie hinter mir auf, verschwinden sie schon wieder vor mir.
Seit diesem Sommer aber tritt eine neue Gruppe von Schnellfahrern in auffällig großer Zahl auf – und die bereiten wahrlich Stress. Es ist immer dasselbe: Ich radle entspannt auf der Trasse, die Grillen zirpen, der Schafberg glänzt im Sonnenlicht, der Wind weht durch die Baumallee. Bis mich plötzlich wieder dieses eine Geräusch aus dem gemütlichen Gedankenschweifenlassen reißt: Wie aus dem Nichts taucht es hinter mir auf – das hektische Klacken einer Gangschaltung. Klack, klack und nochmals klack. Die Botschaft an mich ist unmissverständlich, das Hin-und-her-Schalten heißt in der Radlersprache: Du (also ich) bist im Weg, hinfort mit dir und weg von der Trasse!
Weil das Überholen (wegen des regen Fahrradgegenverkehrs) oft nicht gleich möglich ist, wird hinter mir immer ungeduldiger an den Gängen hantiert. Bis irgendwann kein Gegenverkehr mehr kommt. Dann, endlich, kann mein Verfolger überholen – und das nervöse Klacken bekommt ein Gesicht: Er oder sie sitzt auf einem E-Bike, ist oft jenseits der 70, trägt Trikot und Helm, hat Proviant dabei, fährt langsamer als die echten Radsportler, aber doch schneller als meinesgleichen. Er/sie plagt sich nie, atmet stets ruhig und hat es aus einem für mich nicht nachvollziehbaren Grund immer furchtbar eilig.
Nachdem man mich endlich überholt hat, habe ich kurz Ruhe. Bis mich die nächste nervöse Gangschaltung aufschreckt. Und ich an das alte Lied von der Ischlerbahn denke, wo sie einst sangen: „So was Gemütliches gibt es noch heut!“Damals klackten eben noch keine E-Bikes.